Rheinische Post: Kommentar / Fall Schavan: Gebt endlich Ruhe! Von Michael Bröcker

Im kommenden Jahr feiert die Düsseldorfer
Heinrich-Heine-Universität ihr 50-jähriges Bestehen. Welch gute
Gelegenheit für die Hochschule, sich mit Kreativität, Gelassenheit
und einem berechtigten Selbstbewusstsein für ihre wissenschaftliche
Kompetenz etwa in der Medizin, der Pädagogik oder der
Wettbewerbsökonomie zu feiern. Sie könnte ihr gesellschaftliches
Engagement in der Stadt herausstellen. Das Jubiläumsjahr wäre ein
guter Anlass, die Hochschule noch stärker als Anziehungs- und
Ausbildungsort für die Jugend, als Bestandteil einer vitalen
Düsseldorfer Bürgerschaft zu positionieren und über künftige
Forschungsschwerpunkte zu sprechen. Und was macht die Uni? Sie
schlägt sich in fast kindlicher Manier mit dem nicht nur juristisch
längst erledigten Fall Annette Schavan herum. Die ehemalige
Bundesministerin hat ihren Doktortitel abgeben müssen. Die
Universität hat Recht bekommen. Punkt. Dass sie für ihr teils
irritierendes (und unnötiges) Vorgehen in dem Fall Kritik auch von
renommierter Stelle, siehe Max-Planck-Gesellschaft, siehe Deutsche
Forschungsgemeinschaft, erfahren hat, könnte eine gelassene
Hochschulleitung als Akt freier Meinungsäußerung akzeptieren. Mit dem
offenen Brief an alle Kritiker hat die Philosophische Fakultät leider
deutlich gemacht, dass sie jedes kritische Wort als Angriff auf ihre
Autonomie im Speziellen und den Rechtsstaat im Allgemeinen
betrachtet. Die Hochschulleitung war sich nicht zu schade, die
Professoren, die Schavan Täuschung nachgewiesen hatten, für ihre
„Zivilcourage“ auszuzeichnen. So als hätten die Wissenschaftler im
Kriegsgebiet Leben gerettet. Geht es auch eine Ebene tiefer? Und was
sagt eigentlich die gewählte neue Hochschulrektorin Anja Steinbeck zu
dem neuerlichen Imagedesaster? Man würde schon gerne wissen, warum
die Universität am Vorabend eines großen Festjahres nicht Ruhe gibt?
Nun hat Bundestagspräsident Norbert Lammert, der nach dem
Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat innehat, seine
Teilnahme an den Jubiläumsfeierlichkeiten abgesagt. Eine ärgerliche,
weil vermeidbare Schlappe für die Uni. Als enger Freund von Annette
Schavan ist der CDU-Politiker übrigens nicht bekannt. In seiner
Erklärung verweist Lammert ausdrücklich auf das jüngste Vorgehen der
Hochschule. Ihn irritiere, „dass jegliche kritische Stimmen auch und
gerade von hoch angesehenen Wissenschaftlern und aus den akademischen
Spitzenverbänden ausnahmslos für eine unerwünschte Einmischung und
unzulässige versuchte Einflussnahme erklärt werden“, schreibt er. Dem
ist wenig hinzuzufügen.

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