Rheinische Post: Kommentar: Jubelüber einen Toten?

Durften die Amerikaner den Terrorchef Osama bin
Laden gezielt töten? Und durften sich die Menschen in Washington, New
York und im Mittleren Westen darüber ausgiebig freuen, ja den Tod zum
Volksfest umfunktionieren? Man mag die Diskussion für typisch deutsch
halten. Trotzdem sind die Fragen richtig. Wie auch das Verhalten
unserer amerikanischen Freunde menschlich verständlich ist nach all
dem Unglück, dass der Al-Qaida-Chef über Tausende unschuldiger
Menschen gebracht hat. Aus christlicher Sicht ist gleichwohl Freude
über den Tod – auch eines der schlimmsten Verbrecher der Menschheit –
nicht angebracht. Grundsätzlich ist jedes Leben heilig, auch das von
Osama bin Laden. So gesehen wäre es besser gewesen, die Amerikaner
hätten ihn gefangen genommen und für seine Taten vor einem Gericht
zur Rechenschaft gezogen. Dann wäre der Gerechtigkeit wirklich Genüge
getan worden. Dass ein solcher Plan wohl nicht durchführbar war und
deshalb die Tötung moralisch wie völkerrechtlich durchaus begründbar
erscheint, darf nicht verwechselt werden mit dem Gefühl der Rache.
Sie passt nicht zu einer zivilisierten Gesellschaft, in der das Recht
herrscht. Und auch die Kanzlerin irrt, wenn für sie der Tod bin
Ladens Anlass zur Freude ist. Sie sollte ihre Worte besser wählen.

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