Rheinische Post: Kommentar: Kein Ruhmesblatt für die Justiz

Es ist ein Paukenschlag, eine Sensation. Für
Dominique Strauss-Kahn scheint sich das Blatt gewendet zu haben, so
plötzlich, wie er im Mai vom Sockel des IWF-Direktors stürzte. Die
amerikanische Justiz muss sich heftige Vorwürfe gefallen lassen,
allen voran der Staatsanwalt von Manhattan. Der hatte den Franzosen
bereits zum Schuldigen gestempelt, da steckte das Verfahren noch in
den Kinderschuhen. Und die Kritik an der Art, wie
Untersuchungshäftlinge in Handschellen vorgeführt werden, als wären
sie bereits verurteilte Verbrecher, sie wird ganz gewiss neuen
Auftrieb erhalten. Auch in Amerika. Die Unschuldsvermutung, das lehrt
die jähe Wende, ist ein hohes Gut des Rechtsstaats. Sie muss für alle
und jeden gelten, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist. Nur wäre
es falsch, den Spieß jetzt komplett umzudrehen. Der Richter hat das
Verfahren gegen Strauss-Kahn nicht eingestellt, im Laufe der nächsten
Tage und Wochen kann noch viel passieren. Der Umkehrschluss, wonach
sich das Zimmermädchen alles nur ausgedacht hat, wäre genauso
voreilig wie die Vorverurteilung Strauss-Kahns. Es kann so sein, muss
aber nicht, welcher Außenstehende kann das schon so genau wissen.
Fakt ist, dass die Glaubwürdigkeit der Frau massiven Schaden genommen
hat. Darüber, was tatsächlich in der New Yorker Hotelsuite geschah,
sagt das noch nichts.

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