Angela Merkel, die Wahlsiegerin trotz
Verlusten, hat in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und CSU klein
beigegeben. Die beiden kleinen Partner sollen große Ministerien
bekommen – wenn die Sozialdemokraten denn ihren Mitgliederentscheid
über die Fortsetzung der schwarz-roten Regierung gewinnen. Merkel
gibt Macht ab, um ihre Macht zu sichern. Dafür trennt sie sich von
ihrem loyalen Innenminister Thomas de Maizière und schafft Platz für
ihren großen Widersacher Horst Seehofer. Und die von den
Christdemokraten als eigene DNA empfundene Finanzpolitik legt sie in
die Hände einer auf 20,5 Prozent gestutzten Partei. In Kombination
mit dem Außenministerium könnte die SPD die Europapolitik der
Bundesregierung grundlegend verändern. Der Wirtschaftsflügel der
Union befürchtet schon eine Vergemeinschaftung der Schulden und
trauert Wolfgang Schäuble nach, der das Geld für Deutschland
zusammengehalten hat. Dass das auch bitter nötige Investitionen in
Bildung oder die Verkehrsinfrastruktur verhindert hat, wird dabei
allerdings verdrängt.
Merkel, seit bald 18 Jahren CDU-Vorsitzende, mutet ihrer Partei
viel zu. Sie verlässt sich noch einmal darauf, dass sich ihre Leute
auf sie verlassen. Dass sie ihr folgen, um weitere vier Jahre zu
regieren. Mindestens so lange wie Rekordkanzler Helmut Kohl. Sind die
Kompromisse auch noch so schmerzhaft. Aber die Entfremdung von Merkel
in der Partei und im Land ist zu spüren. So wie 1998 viele nach Kohls
16-jähriger Kanzlerschaft schon deshalb einen Wechsel wollten, weil
sie Sehnsucht nach etwas Neuem oder auch nur Anderem hatten, so
mehren sich solche Stimmen auch jetzt. Noch ist eine Revolte gegen
Merkel unrealistisch. Doch ihr Rückhalt bröckelt. Stellen wir uns
aber mal dieses Szenario vor: Merkel hätte die
Koalitionsverhandlungen platzen lassen, weil sie das
Finanzministerium nicht gegen das Wirtschaftsministerium getauscht
hätte. Deutschland stünde vor Neuwahlen, das Image der stabilen
Verhältnisse wäre im Inland wie im Ausland dahin. Die AfD fühlte sich
bestätigt. Das Entsetzen über Merkel wäre groß. Denn mit einem Satz
hat die 63-Jährige sicher vielen aus dem Herzen gesprochen: Die
Menschen wollen erstens endlich eine neue und zweitens eine stabile
Regierung. Dafür kann sie vor allem auf eine Frau zählen: Andrea
Nahles. Merkel schätzt die Sozialdemokratin als vertrauenswürdige und
kluge Polit-Managerin. Wenn die SPD-Basis für die Groko stimmt, ist
das vor allem Nahles zu verdanken. Und dann wird sie für die CDU eine
Gefahr. Die 47-Jährige erneuert ihre Partei nämlich schon.
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