Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich
kann mit seinem Rücktritt nur den ersten Teil der Verantwortung in
einer ernsten Staatsaffäre auf sich genommen haben. Sicher, der
CSU-Mann durfte als Innenminister nicht über Ermittlungen der ihm
unterstehenden Behörden sprechen. Er tat es dennoch. Dafür musste er
die Verantwortung übernehmen. Friedrich ist letztlich aber auch der
Geschwätzigkeit der SPD-Politiker zum Opfer gefallen. Sollte er den
SPD-Vorsitzenden Gabriel über möglicherweise bevorstehende
Ermittlungen informiert haben, um den potenziellen Koalitionspartner
vor einem damals realistischen Karrieresprung von Herrn Edathy zu
warnen, hat er menschlich nachvollziehbar gehandelt und nicht nur
Schaden von der SPD, sondern auch vom Staat abgewandt. Wenn Gabriel &
Co. daraufhin eine Stille-Post-Kette in Gang gesetzt haben, an deren
Ende gar Edathy informiert wurde, erfüllt das juristisch
möglicherweise den Tatbestand der Strafvereitelung. Die
Staatsanwaltschaft spricht davon, dass sie „hoffnungslos in der
Hinterhand“ gewesen sei und dass Edathy von den Ermittlungen
frühzeitig erfahren habe. Statt den Rechtsstaat zu schützen, hat
diese sogenannte große Koalition den Rechtsstaat behindert. Das ist
nicht nur peinlich. Das ist ein schwerwiegender Fall von
Politikversagen. Es geht hier immerhin darum, dass ein SPD-Politiker
laut Stellungnahme der Ermittler im Internet Nacktfotos von Jungen im
Alter zwischen 9 und 14 Jahren angeschaut oder heruntergeladen haben
soll. Selbst wenn das juristisch „nur“ an der Grenze zur
Kinderpornografie sein mag. Es ist widerlich. Die Sozialdemokraten,
aus deren Reihen die schnellsten Rücktrittsforderungen in Richtung
Friedrich kamen, werden sich nun fragen müssen, wie sie eigentlich
das Rechtsverständnis von Herrn Gabriel und des umtriebigen Juristen
Herrn Oppermann bewerten. Wenn die SPD-Führung einem Tatverdächtigen
zur Vernichtung von Beweisen verholfen hat, ist Friedrichs Rücktritt
nur der Anfang einer Reihe von notwendigen Konsequenzen. Zur
Erinnerung: Es waren eifrige SPD-Landespolitiker, die in
Niedersachsen einer Lokalzeitung Informationen über die Ermittlungen
weitergaben. Wie gelangte die Akte im Fall Edathy überhaupt an die
parteipolitische Öffentlichkeit? Warum blieb das Schreiben der
Staatsanwaltschaft an den Deutschen Bundestag dort eine Woche lang
liegen? Der Verdacht wiegt schwer, dass die große Koalition, wenn es
für ihre Mitglieder ernst wird, auch großer Vertuscher sein kann. Ein
verstörendes Signal.
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