Wir leben in einem schönen und starken Land.
Vielfalt ist unsere Stärke.“ So beschrieb 1985 der damalige
Ministerpräsident Johannes Rau treffend die DNA Nordrhein-Westfalens.
30 Jahre später ist das Land immer noch schön, aber nicht mehr so
stark. In Wachstums- und Bildungsrankings taucht das
Bindestrich-Bundesland oft nur im Mittelfeld auf. Wenn es gut läuft.
Das muss nicht so sein, wie die Prognos-Studie belegt. NRW hat
enormes Potenzial. Bis 2030 könnte die Wirtschaftsleistung um
jährlich 1,3 Prozent steigen. Alleine die Digitalisierung könnte ein
Umsatzplus von 16 Milliarden Euro bringen. Chancen, auch Jobs, bieten
Dienstleistungen, Medizintechnik, Logistik. Vor allem Branchen, die
Menschen oder Maschinen vernetzen. NRW könnte mit einer einzigartigen
Verbindung von alter Industriestärke und digitalem Gründergeist die
Standortattraktion für Hochqualifizierte und Investoren in der Welt
werden.
Könnte. Nur muss die Politik diese Kräfte sich entfalten lassen.
Die Anti-Wirtschafts-Gesetze beim Klimaschutz und der Tariftreue
gehören in den Schredder. Sie sind entweder wirkungslos oder unnötig.
Oder beides. Und: Der Fokus der rot-grünen Landesregierung auf die
Bildungspolitik ist richtig, die Koalition kann hier Erfolge
vorweisen. Bei den frühkindlichen Betreuungseinrichtungen, der
Erwerbsarbeit der Frauen, der schulischen Förderung von Migranten
muss das Land aber noch mehr tun.
Auch die Vernetzung der Regionen und Branchen, das
interdisziplinäre Denken, fehlt in der Landesregierung oder es
scheitert an bürokratischen Strukturen und regionalpolitischen
Eitelkeiten. Das Ruhrgebiet wird wirtschaftspolitisch gepampert,
dynamische Regionen im Bergischen, im Siegerland oder in Ostwestfalen
werden vernachlässigt. Von der zukunftsvergessenen Finanzpolitik der
Landesregierung soll an dieser Stelle ausnahmsweise gar nicht erst
die Rede sein.
Aber ist Hannelore Krafts Plädoyer für die Digitalisierung nicht
lobenswert? Sicher. Nur entdeckt die Ministerpräsidentin ihre
Leidenschaft reichlich spät. In ihrer Regierungserklärung nach dem
Wahlsieg 2012 äußerte sie sich zum Quartiersmanagement, zum Sportland
NRW, zum Unternehmensstrafrecht. Nur das Wort Digitalisierung kam
nicht vor. Und wo war die SPD-Vizechefin, als es in den
Koalitionsverhandlungen in Berlin um Milliarden für den
Breitbandausbau und bessere Rahmenbedingungen für Gründer ging? Kraft
kümmerte sich um Kohlepolitik.
NRW kann mehr. Was das sein könnte und wie wir morgen leben – das
ist der Kern unserer neuen Serie.
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