Die Polen haben am Sonntag nicht nur ihre
bisherige Regierung in die Wüste geschickt, sie haben womöglich auch
den Weg frei gemacht für eine tiefgreifende Umgestaltung ihres
Landes. Wahlsieger Jaroslaw Kaczynski hat seinem Traum nie
abgeschworen, eine „neue Republik“ zu begründen. Die Blaupause dafür
ist Ungarn, wo der autokratisch auftretende Viktor Orbán erfolgreich
an den national-religiösen Stolz seiner Landsleute appellierte, um
seine Politik durchzusetzen. Wird Warschau also ein zweites Budapest?
Das ist längst nicht ausgemacht, denn Polen hat eine tief verwurzelte
liberale Tradition, die in der Bürgergesellschaft weiterlebt, auch
wenn ihre politischen Vertreter jetzt an den Urnen brutal abgestraft
wurden. Polen ist noch nicht verloren an einen engstirnigen
Nationalismus, zumal viele unserer Nachbarn bei dieser Wahl ihr
Kreuzchen eher aus Protest gegen die soziale Kälte im Land gemacht
haben, als aus Begeisterung für Kaczynskis patriotische
Erweckungslyrik. Mit deutscher Überheblichkeit sollten wir jedenfalls
nicht reagieren auf dieses Wahlergebnis.
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621