Die erste Erkenntnis aus dem Interview des
designierten US-Präsidenten mit der „Bild“-Zeitung ist zugleich die
schmerzhafteste: Donald Trump bleibt Donald Trump. Er will die
Vereinigten Staaten führen wie seine Unternehmensgruppe. Hart,
kompromisslos, gewinnmaximierend. Das Präsidiale bleibt ihm fern, das
Internationale, das Diplomatische. Der Freihandel als Instrument des
wirtschaftlichen Miteinanders zum Nutzen aller Beteiligten ist für
ihn nur ein schlechter Deal. „America first“, oder treffender: „Wir
gegen den Rest der Welt“ – so lässt sich das Weltbild des Donald
Trump beschreiben.
Darauf sollten die europäischen Staatschefs, allen voran die
Regierungschefin des Exportweltmeisters Deutschland, nicht mit
Wehklagen, sondern mit Geschlossenheit, Selbstbewusstsein und Härte
reagieren. Wer Strafzölle einführt, muss mit Gegenmaßnahmen rechnen.
Trump, der im Pionierland des Kapitalismus reich wurde, missachtet
die Prinzipien der Marktwirtschaft. Seine Äußerungen über die
deutschen Autoexporte („Wie viele Chevrolets sehen Sie in
Deutschland?“) zeugen von unglaublicher Naivität. In einer freien
Marktwirtschaft entscheidet der Käufer, welche Produkte er kaufen
will. Trump sollte sich die US-Hersteller vorknöpfen, die
offensichtlich bei Innovation, Qualität und Markenimage nicht vorne
sind. Trotz VW-Skandal übrigens.
In dem Interview spricht der Mann, den immerhin 60 Millionen
US-Bürger gewählt haben, unbequeme Wahrheiten über den Irak-Krieg,
den Afghanistan-Einsatz und die fehlende Zahlungsbereitschaft der
Nato-Mitglieder aus. Aber die widersprüchlichen und zutiefst
nationalistischen Aussagen dominieren. Trumps Sicht auf die
Europäische Union ist – bei aller berechtigten Kritik an Effizienz –
von beeindruckender Schlichtheit. Die EU als Vehikel der Deutschen
zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu deuten, ist
geschichtsvergessen. Die EU ist das größte Friedensprojekt der
Nachkriegszeit, ein Bündnis der freiheitlichen Werte. „Keine Region
der Welt ist wichtiger für uns als Europa“, hatte Bill Clinton
deshalb den Europäern 1994 zugerufen. Lange ist es her. Für Donald
Trump ist der Kontinent offenbar ein verkrusteter Staatenbund, der zu
wenig Geld für Verteidigung ausgibt, zu viel für Flüchtlinge und auf
dem Weltmarkt ein lästiger Wettbewerber ist. Den Transatlantikern
stehen jedenfalls eiserne Zeiten bevor. Donald Trump wird eine
Prüfung für Europa. Auch weil er unberechenbar ist. Ein skrupelloser
Manager im Weißen Haus. Aber das kann auch heilsam sein. Europa muss
sich emanzipieren.
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