Rheinische Post: Kommentar / Steuerhinterzieher und Steuervergeuder = Von Thomas Reisener

Da ist eine sehr alte Frau. Sie bittet ihren
Sohn, diskret ein heikles Auslandsvermögen abzuwickeln. Es könnte
ihre letzte Bitte sein. Der Sohn tut, was damals so viele getan
haben: Er parkt das Geld auf einem verschwiegenen Fleckchen Erde.
Sein Problem: Er wurde später Finanzminister. Sein Pech: Mit dem
Ankauf von Steuer-CDs hat die Steuerfahndung heute Möglichkeiten, die
er damals nicht ahnen konnte. Sein Glück: Offenbar fiel er zu spät
auf, weshalb er wohl straffrei blieb. Was bei anderen als Anekdote
mit menschelndem Touch durchgehen würde, wird für Linssen zu einer
Affäre. Zu recht. Denn er verwaltet als CDU-Schatzmeister und
Finanzchef der RAG-Stiftung immer noch große Geldsummen. Da gelten
andere Maßstäbe. Linssen muss sich der Kritik stellen. Allerdings:
Manche Kritiker aus der Politik, die sich jetzt als Anwälte des
ehrlichen Steuerzahlers aufspielen, sind kaum besser. Sie
hinterziehen vielleicht keine Steuern. Aber sie vergeuden sie. Dass
die millionenschweren Fehler beim Bau der Elbphilharmonie, beim
Berliner Flughafen oder beim Duisburger Landesarchiv wahrscheinlich
straffrei bleiben, macht den Schaden für den Steuerzahler ja nicht
kleiner.

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