Jahrelang waren die politischen Fronten in der
Türkei ganz klar gezogen. Auf der einen Seite stand die alte Elite
der Kemalisten, säkular bis ins Mark und von der Mission beseelt, die
einst von Kemal Atatürk begründete moderne Türkei (und nebenbei ihre
Pfründe) gegen die Mehrheit der frommen Türken verteidigen zu müssen.
Auf der anderen Seite die Islamisten, die unter Recep Tayyip Erdogan
schließlich die Regierung eroberten. Spätestens, seit die Militärs
vor sechs Jahren mit dem Versuch scheiterten, Erdogans AKP-Partei
verbieten zu lassen, ist dieser historische Machtkampf entschieden.
Doch nun gibt es erneut Gerangel, diesmal im islamistischen Lager.
Zwischen Erdogans Gefolge und der einflussreichen Gülen-Bewegung,
einst zusammengeschweißt im Widerstand gegen Armee und Kemalisten,
ist ein Bruderkrieg ausgebrochen. Wer diesmal den Sieg davonträgt,
ist völlig offen. Klar scheint nur, dass die Türkei nach Jahren
politischer Stabilität vor neuen Turbulenzen steht. Darauf muss man
sich auch in der EU einstellen: Erdogans politische One-Man-Show
neigt sich dem Ende zu.
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