Rheinische Post: Kommentar / Zitterpartie für Schulz = Von Martin Kessler

So schonungslos mit der eigenen Rolle und dem
Wahlergebnis seiner Partei ist ein SPD-Chef noch nie umgegangen. Das
ehrt Martin Schulz. Er hat nicht um das Desaster der SPD
herumgeredet. Solche Klarheit ist auch nötig, um eine tief
verunsicherte Partei wieder aufzurichten. Freilich geschieht es aus
einer Position der Schwäche heraus, und das kann Schulz nicht leugnen
– trotz der Zustimmung des Parteitags für den Leitantrag des
Parteivorstands und trotz seines am Ende ganz ordentlichen
Wahlergebnisses. Immerhin hat er jetzt eine Basis, um die
gefährlichste Kehrtwende seiner Partei seit 1945 einzuleiten. Auf
diesem Weg muss er weitergehen, aller früheren Fehler zum Trotz.
Schulz hat die Themen für eine mögliche Zusammenarbeit mit der Union
gesetzt – Europapolitik, Digitalisierung, zentralistische
Bildungspolitik, Mietpreisbremse, Umweltpolitik, Gesundheitssystem,
Abwehr des Rechtspopulismus. Nun ist es an ihm, den Ball wieder ins
Feld der Union zu schießen. Es wird sich dann zeigen, ob genügend
Gemeinsamkeiten für ein Bündnis vorhanden sind. Wenn Schulz das gut
löst, hat er trotz der aktuellen Misere die Chance, länger die SPD zu
führen und womöglich Vizekanzler einer großen Koalition zu werden.

www.rp-online.de

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621

Original-Content von: Rheinische Post, übermittelt durch news aktuell