von Michael Bröcker
   Es ist richtig, dass die EU nach dem Brexit-Votum aufs Tempo 
drückt. Es geht nicht um Rache. Es geht darum, die Kräfte zu sammeln 
für die eigene Zukunft. Bei einer Scheidung ist eine schnelle und 
faire Trennung für alle Beteiligten besser. In der EU kommt es jetzt 
auf zweierlei an. Erstens: Die Union braucht eine Koalition der 
Willigen. Die alte Idee des Kerneuropa ist aktuell. Deutschland muss 
als Primus vorangehen, natürlich. Aber nicht so wie Angela Merkel es 
in der Flüchtlingspolitik getan hat: erst entscheiden, dann 
(vergeblich) Partner suchen. Andersherum wäre gut. Das Weimarer 
Dreieck mit dem dynamischen, in der Wirtschaftspolitik eher britisch 
agierende Polen als Gegenpol zum etatistisch geprägten, 
veränderungsunwilligen Frankreich. Dass die Regierungen in Paris und 
Warschau derzeit wenig hilfreich sind, ändert an der Strategie 
nichts. Jedem Europäer muss spätestens jetzt klar sein, dass die 
27er-EU nicht im Gleichschritt marschieren kann. Zweitens braucht die
EU eine Vision. Ein Leitmotiv, wie sich dieser Staatenverbund 
entwickeln soll. Die Stichworte heißen Transparenz, Demokratie und 
Effizienz. Die EU braucht eine Identität. Bisher riefen die 
Europa-Politiker stets nach mehr Europa. „Mein Europa“ wäre besser. 
Eine Union, die begeistert und Nutzen stiftet. Die junge 
Erasmus-Generation, die wie keine vor ihr von den Freiheiten und dem 
kulturellen Austausch in Europa profitiert, muss sich dafür viel 
stärker einbringen. Die Europa-Skepsis ist bittere Realität. Auch in 
Spanien, den Niederlanden und in Frankreich hat jeder zweite Bürger 
eine negative Einstellung zur EU. Eine selbstkritische Analyse, nicht
die trotzige Überheblichkeit, die einige EU-Spitzenpolitiker an den 
Tag legen, wäre der erste Schritt. Und, so paradox es klingt: Wer den
Nationalismus wirksam bekämpfen will, muss nationale Interessen 
stärker berücksichtigen. Europa wird nur besser, wenn es kleiner wird
und Macht zurückgibt, wo sie sich nicht bewährt hat. Ein eigener 
auswärtiger Dienst mit 8000 Beamten und Angestellten. 27 Kommissare. 
Milliardensubventionen. Wozu? Mehr Eigenverantwortung für die 
nationale, die regionale, die kommunale Ebene. Eine Föderation im 
besten Sinne.
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