Sigmar Gabriel ist bisher nicht als
europapolitischer Visionär aufgefallen. Doch die jüngsten
Einlassungen des SPD-Chefs sind zumindest teilweise bedenkenswert. Es
wird Zeit, dass in Europa über eine künftige politische und
rechtsstaatliche Verfasstheit des Kontinents diskutiert wird.
Vereinigte Staaten von Europa, Kerneuropa, Bundesstaat, Europa der
Regionen – was darf–s denn sein? Die simple Formel „Mehr Europa“
reicht als Antwort nicht aus. Zumal die Nationalstaaten an ihre
rechtsstaatlichen Grenzen kommen, wie das Bundesverfassungsgericht
unlängst in Bezug auf die Übertragung von Souveränität in der
Euro-Krise gemahnt hat. Das Grundgesetz verliert seine Gültigkeit,
wenn das deutsche Volk eine neue (europäische?) Verfassung
beschließt, besagt der Artikel 146. Der Artikel könnte schneller
Realität werden, als uns bewusst ist. Der erste Konvent zur Zukunft
Europas ist gescheitert, weil er zu groß war und ohne echten Rückhalt
arbeitete. Nun verschafft die Not der Krise ein neues Bewusstsein.
Ein guter Zeitpunkt für einen Neuanlauf. Der Theologe Johann Herder
hat Europas kulturellen Reichtum als „Gemeinschaftswerk aller Völker“
bezeichnet. Nun brauchen Europas Völker endlich ein politisches
Gemeinschaftswerk.
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