Rheinische Post: Parteichef im Praktikum

Philipp Rösler wird ein beliebter
FDP-Vorsitzender sein. Die uneitle, aufrichtige Art des 38-jährigen
Gesundheitsministers ist ein Gewinn für die bei vielen als Partei
aalglatter Karrieristen stigmatisierte FDP. Mit Rösler zieht ein
neuer Stil in eine Partei, die sich in den Machtkämpfen der letzten
Wochen als intriganter Hort von Einzelinteressen präsentierte. Vom
überheblichen Pathos eines Guido Westerwelle hebt sich Röslers sanfte
Rhetorik wohltuend ab. Nur reicht das, um die FDP aus dem Siechtum zu
befreien? Ob der Niedersachse ein guter Vorsitzender in der Tradition
von Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff oder auch Guido
Westerwelle wird, entscheidet nicht der Sympathiefaktor, sondern der
Härtegrad an den Verhandlungstischen und Hinterzimmern der Berliner
Republik. Um gegen die Kapitäne Merkel, Seehofer und Schäuble, deren
Haut von politischen Stürmen gegerbt ist, liberale Politik
durchzusetzen, braucht Regierungskadett Rösler noch Lehrgänge. Seine
bisherige Bilanz ist durchwachsen. Rösler kündigte eine große
Gesundheitsreform an, verließ das Kabinett nach der Fehde mit der CSU
aber gerupft. Die höheren Beitragssätze brachten ihm den vorletzten
Platz auf der Beliebtheitsskala. Der Einstieg in eine Prämie und das
anspruchsvolle Pharmapaket fielen (leider) kaum noch auf. Wettbewerb,
etwa individuelle Verhandlungen der Kassen mit Ärzten, gibt es unter
einem liberalen Gesundheitsminister nicht. Künftig wird Rösler aber
auch noch bei den Themen Euro-Krise, Libyen, Integrations- und
Sicherheitspolitik liberale Positionen durchfechten müssen. Das
politische Handwerkszeug, Stehvermögen, Schmieden von Allianzen,
notfalls das Wegräumen von Gegnern, gehört dabei zur
Grundausstattung. Seehofer und Merkel sind damit reichlich versorgt.
Mit der Mini-Revolution hat sich Rösler zudem freiwillig geschwächt.
Der Umbruch bleibt im Ansatz stecken. An der Fraktion wirkt weiter
die blasse Birgit Homburger. Im Kabinett hätte Rösler Außenminister
Westerwelle ersetzen müssen, wenn er Respekt und Gewicht erlangen
will. Ein deutscher Außenminister mit vietnamesischen Wurzeln und
integrativer Rhetorik würde dem Land gut tun. Doch dafür fehlte der
Mut. Das Bündnis der Jungen dürfte bald bröckeln. Daniel Bahr muss
als Gesundheitsstaatssekretär nun mehr tun, ohne davon zu
profitieren. Das Vize-Parteiamt wird ihm nicht reichen. Ebenso wie
Generalsekretär Lindner könnte er noch vor 2013 nach dem
Fraktionsvorsitz greifen. Aus den drei Freunden würden dann
Konkurrenten. Nebenbei muss Rösler die Inhalte erneuern.
Ordnungspolitische Grundsätze mit einer Freiheitspolitik anreichern,
die dem linken Mantra der Sozialfürsorge Chancengerechtigkeit,
Fairnesspolitik entgegensetzt. Nur so kann die FDP eine frische Idee
für die Mitte der Gesellschaft werden. Ganz schön viel für den netten
Herrn aus Hannover.

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