Rheinische Post: Präsident ohne Amt Kommentar Von Michael Bröcker

Je lauter die Rufe nach einem Ende der Debatte
werden, desto genauer sollte man noch einmal hinsehen. Denn der Kern
der Affäre bleibt unaufgeklärt. Die Frage, warum Christian Wulff als
Ministerpräsident für den Bau seines Hauses einen anonymisierten
Scheck einer Unternehmergattin erhielt und diesen Kredit später,
einen Tag, nachdem er von Recherchen eines Journalisten erfahren
hatte, in ein aufreizend günstiges Bankdarlehen überführte, ist bis
heute nicht beantwortet. Wen wundert es, dass dies nach Vorteilsnahme
im Amt riecht? Zumal weitere Details bekannt wurden, die das Bild des
braven Politikers vom Land endgültig ad acta legen. Christian Wulff
will dennoch im Amt bleiben. Was bleibt ihm auch übrig? Mit 52 Jahren
Bundespräsident a.D.? Keine verlockende Aussicht. Für die Rolle als
Mahner, Antreiber, Erklärer der Demokratie fällt Wulff künftig aber
aus. Die Funktion, für die er gewählt wurde, kann er nicht mehr
ausüben. Wulff ist ein Bundespräsident ohne Autorität geworden. Und
damit ein Präsident ohne Amt. Wulffs Hang zum großen Geld ist Thema,
wo sein Wort zur Schuldenkrise gefragt wäre. Zynisch formuliert:
Natürlich kann Christian Wulff Bundespräsident bleiben. Nur darf er
keine öffentliche Rede mehr halten.

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