Rheinische Post: Rolle der Staatsanwälte muss auf den Prüfstand

Kommentar von Gregor Mayntz

Ist es zu hoch gegriffen, im Zusammenhang mit dem Fall Edathy von
einer „Staatskrise“ zu sprechen? Das Stolpern eines SPD-Abgeordneten
über seine heimliche Neigung, Geld für die Betrachtung nackter Knaben
auszugeben, rechtfertigt das nicht. Und auch nicht der Sturz eines
Ministers über das Offenbaren von Dienstgeheimnissen zur selbstlosen
Stabilisierung eines potenziellen Regierungspartners. Dennoch wächst
das Gefühl, dass ein politisches System in der Krise steckt, in dem
Staatsanwälte mit Vorwürfen im Bobbycar-Format wichtigste Stützen des
Staates abschießen und vor Millionenpublikum intime Details über das
private Leben von Verdächtigen präsentieren können, die nicht nicht
einmal Beschuldigte sind. Auch wenn im Fall Edathy nach so genannter
gefestigter Rechtsprechung die Staatsanwaltschaft von einem
Anfangsverdacht ausgehen musste: Es scheint, dass die Hemmschwelle
gesunken ist, öffentlichen Vorverurteilungen Vorschub zu leisten.
Gleichzeitig hat sich auch die Dimension möglicher Rücktrittsgründe
von Spitzenpolitikern miniaturisiert. Wenn es nun Anlass gibt, das
Agieren aller Beteiligten auf den Prüfstand zu stellen, dann gehört
die Rolle der Staatsanwälte dazu.

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