Rheinische Post: Selige Christen

Ein Kommentar von Lothar Schröder:

Kein anderer Papst hat auch nur annähernd so viele Menschen selig
(1338) und so viele heiliggesprochen (482) wie Johannes Paul II. Ein
Faible des 2005 verstorbenen Papstes, dem die Kirche nun in
vergleichbarer Münze Ehre erweist? Wohl kaum. Denn dem Polen lag kein
Starkult um Personen seiner Kirche am Herzen; er wollte uns Menschen
präsentieren, zu denen wir aufschauen können. Persönlichkeiten, die
das lebten, wovon viele glauben, es sei wegweisend. Die
Seligsprechung ist vor allem eine tiefe Geste mit Vorbildcharakter.
Auch das sollten viele Kritiker bedenken, die jetzt Anstoß nehmen am
Schnellverfahren oder an der Wunderheilung, in der sich ja das
Bemühen der katholischen Kirche spiegelt, Glaube mit Vernunft in
Einklang zu bringen. Bei dem nun seliggesprochenen Papst kann es
nicht um ein bedingungsloses „Anhimmeln“ gehen. Das Verfahren meint
eher einen Aufruf zur Nachfolge, wie auch Johannes Paul II. selbst im
Sinne der christlichen „imitatio“ nur ein Nachfolger war der Spuren
Jesu Christi. Wir brauchen solche Wegweiser, solche Vorgänger. An
denen freilich muss und darf man sich auch reiben können. Daher dient
die bewegende Seligsprechung vom gestrigen Tage auch uns: Sie macht
uns zu seligen Christen.

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