Rheinische Post: Staat und Kinderschutz

Von Reinhold Michels

Es zeugt von politischer Einfalt, zu glauben, eine Verfassung
biete ihren Bürgern umso mehr Schutz und Schirm, je üppiger der
Grundrechte-Katalog, sprich der Schirmständer, bestückt ist. Hier
gilt die Wahrheit, dass sich die Substanz der Politik erheblich
verschlechtert, wenn es mehr auf Effekt als auf Effizienz ankommt.
Man muss nicht Verfassungsrechtlern folgen, wonach eine Verfassung
kurz und dunkel zu sein hat; aber ebenso wenig der neuen Idee,
Kinderrechte gehörten gesondert ins Grundgesetz, um Kinder besser
erwachsener Niedertracht zu entziehen. Das hülfe nicht dem
gefährdeten Kind, so wie etwa ein „Grundrecht auf Arbeit“ keinem
Arbeitsuchenden einen Job verschafft. Das Grundgesetz ist kein
Wühltisch. Und es sollte auch nicht dazu benutzt werden, das
natürliche Recht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder
(Artikel 6) zu relativieren. Erst wenn die Eltern fürchterlich
versagen, hat die Rechtsgemeinschaft das Recht, nein: die Pflicht,
das gefährdete Kind in ihre Obhut zu nehmen. Das muss nicht ins
Grundgesetz, es steht nämlich schon drin.

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