Rheinische Post: Testfall Tunesien = Von Matthias Beermann

Tunesien, das Land, in dem der Arabische
Frühling vor zwei Jahren seinen Anlauf nahm, wird jetzt wieder zum
Testfall für die arabische Welt. Von Euphorie ist diesmal allerdings
keine Spur. Die Regierungskrise eskaliert, Tunesien droht das
politische Chaos. Dabei schien das kleine Land in der Region noch die
besten Voraussetzungen für den gewagten Sprung vom Despotismus in die
Demokratie zu haben: eine vergleichsweise liberale Gesellschaft mit
guten Verbindungen nach Europa, kaum Einfluss von religiösen
Extremisten. Aber die Hoffnungen auf einen vergleichsweise
harmonischen Übergang sind zerstoben – sie waren auch naiv. Die von
den Islamisten dominierte Regierung erwies sich bisher als unfähig,
das wichtigste Problem Tunesiens anzugehen: die desolate
Wirtschaftslage. Die Not des Volkes ging im Parteiengezänk unter, und
Kritiker wurden mit Methoden verfolgt, die denen des alten Regimes
nicht unähnlich sind. Das Risiko ist groß, dass die Menschen
irgendwann resigniert bereit sind für eine neue Form der Diktatur.
Noch ist es in Tunesien nicht so weit. Noch nicht.

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