Rheinische Post: Ukraine im Abseits Kommentar Von Helmut Michelis

Julia Timoschenko spielt mit dem Hungerstreik
wohl ihre letzte Karte aus. Die Frau mit dem markanten goldenen Zopf,
einst das Gesicht der friedlichen Orangen Revolution in der Ukraine,
setzt damit die pro-russische Regierung in Kiew massiv unter Druck.
Denn sechs Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft will der
Gastgeber in strahlendem Licht dastehen. Stattdessen rufen erste
westliche Politiker bereits zu einem Boykott der Spiele auf, was
allerdings wenig realistisch erscheint. Und sogar der mächtige
Nachbar Russland ermahnt Kiew, rechtsstaatliche Normen einzuhalten –
es riecht nach Scheinheiligkeit, sind doch nun beide Staaten keine
leuchtenden Vorbilder in Sachen Demokratie. Unabhängig davon ist die
wegen ihrer Geschäfte mit Moskau als „Gasprinzessin“ verhöhnte
Politikerin eine schillernde Figur. So sind Zweifel nachvollziehbar,
ob bei ihrem Aufstieg von der Videoverleiherin zur Multimillionärin
und Regierungschefin alles mit rechten Dingen zuging. Doch ihre
Behandlung im Straflager ist menschenunwürdig. Berliner Ärzte
bestätigen zudem, dass Timoschenko ihre schwere Erkrankung nicht
simuliert. Werbewirksam zur EM sollte sich Kiew also großzügig geben
und sie zur Behandlung nach Deutschland ausreisen lassen.

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