Es mag sein, dass Barack Obama kein falsches
Wort sagen will, weil er eine Geiselnahme fürchtet. Noch sitzen rund
sechshundert Amerikaner in Libyen fest. Solange sie nicht evakuiert
sind, muss das Weiße Haus mit allem rechnen. Dennoch wirkt die
Zuschauerrolle befremdlich, mit der sich Obama begnügt. Während sich
die Europäer nach und nach auf die Seite der Regime-Gegner stellen,
belassen es die USA noch immer bei neutralen Mahnungen. Da werden
universale Menschenrechte beschworen, wird allgemein Zurückhaltung
angemahnt. Es sind wohlfeile Floskeln von Politikern, die sich nicht
aus der Deckung wagen. In Libyen hat Washington nichts in der Hand.
Die dortige Armee ist, anders als die ägyptische, nicht von den
Amerikanern ausgerüstet und ausgebildet worden. Nach Kairo flossen in
dreißig Jahren viele Milliarden an Hilfsgeldern, nach Tripolis nicht
– Obama fehlen die Hebel, mit denen er etwas bewegen könnte. Ohnehin
ist er ein eher vorsichtiger Manager, nicht der feurige Advokat des
Wandels, für den man ihn angesichts seiner aufrüttelnden
Wahlkampfreden hielt. Nun muss er Farbe bekennen, sonst blamiert er
sich im arabischen Frühling des Jahres 2011. Es geht um Moral, nicht
nur um die Rechenaufgaben kühler Realpolitik.
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