Rheinische Post: Verhängnisvolles Moratorium

Ein Kommentar von Birgit Marschall:

Japan hat Schwarz-Gelb endgültig aus dem Tritt gebracht: Zwei
Wochen vor der für Union und FDP so wichtigen Baden-Württemberg-Wahl
verhängte die Koalition ihr Moratorium über die gerade erst selbst
beschlossene Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. Dass dies
nichts mit der Wahl und allein mit Sicherheitsaspekten zu tun habe,
mochte der Bundeskanzlerin schon damals keiner recht glauben, am
wenigsten der unglückselige Rainer Brüderle. Welche finanziellen
Folgen das wahltaktische Manöver für die öffentliche Hand haben kann,
wird nun offenbar: Mit RWE wehrt sich der erste Stromkonzern gegen
die Stilllegung seines Meilers Biblis A. Die Siegchancen der Essener
vor Gericht sind gar nicht schlecht, denn die rechtliche Grundlage
des Moratoriums ist fraglich. Aus Japan lässt sich nun mal nicht
zwingend ableiten, dass die deutschen AKW von einem Tag auf den
anderen so unsicher geworden sind, dass sie sofort vom Netz mussten.
Hessen droht nun eine hohe Schadenersatzzahlung an RWE. Das hektische
Moratorium mag Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg einige Punkte
gerettet haben, doch klug war es nicht: Eine parlamentarische Debatte
mit strikten Vorgaben, an deren Ende ein neues Atomgesetz und die
Verkürzung der Laufzeiten gestanden hätten, hätte den Ausstieg
rechtlich unangreifbar gemacht – und vor allem glaubwürdiger.

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