Von Christian Altmeier
„Wir sind ein Volk“: Der politische Schlachtruf der Wendezeit
wurde vor zwanzig Jahren schneller Wirklichkeit, als sich viele dies
erträumt hatten – und stimmt doch bis heute nicht so ganz. Noch immer
ist Deutschland in vielen Punkten in Ost und West gespalten. Löhne
und Renten sind im Osten niedriger als im Westen, die
Arbeitslosigkeit dafür doppelt so hoch. Im Westen wiederum wird auf
die Billionen Euro an Transferleistungen verwiesen. Lohnt es sich
also, eine Einheit zu feiern, die noch gar nicht vollendet ist?
Unbedingt. Gerade angesichts solcher Streitigkeiten ist der 3.
Oktober eine dringend notwendige Gelegenheit, um den Blick wieder
einmal auf das große Ganze zu richten. Deutschland hat alle Bedenken
im Ausland, die es gegen eine Wiedervereinigung gab, längst
zerstreut. Die Bundesrepublik hat heute ein positiveres Image in der
Welt, als jemals zuvor. Zudem lohnt es, sich vor Augen zu führen, wie
es war, als 17 Millionen Deutsche in Unfreiheit lebten, Familien
getrennt waren und man nicht einfach so von Heidelberg nach Leipzig
oder Erfurt fahren konnte. Die wirtschaftliche, soziale und
gesellschaftliche Einheit mag ein langsamer Prozess sein, dessen
Dauer unklar ist. Dass wir uns überhaupt in diesem Prozess befinden,
ist aber die wohl glücklichste Fügung der deutschen Geschichte – die
es zu feiern lohnt.
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