RNZ: Rhein-Neckar-Zeitung, zu: Stuttgart

Den Anspruch, legitime Ziele zu verfolgen, darf
man der Landesregierung nicht absprechen. Der Entschluss, mit den
Arbeiten zu Stuttgart 21 zu beginnen, ist wahrlich ausreichend
demokratisch legitimiert. Der Einsatz staatlicher Gewalt dazu eben
auch. Wer sich an den Gesetzen unseres Landes orientiert, muss das
akzeptieren. Die Durchsetzung von Recht zu jedem Preis gehört aber
nicht dazu. Genau das ist am Donnerstag geschehen. Ein
schwerwiegender Fehler der Politik oder der Einsatzleitung. Das wird
aufzuklären sein. Die geballte Staatsgewalt hätte sich beim Anblick
der jungen Demonstranten ebenso gut ein paar hundert Meter
zurückziehen und abwarten können – ohne an Autorität zu verlieren. In
Stuttgart geht es ja nicht um Leben oder Tod. Sondern um einen ganz
normalen Bahnhof. Doch auch wenn die jungen Demonstranten Steine
geworfen haben sollten, sich aggressiv zeigten oder von Erwachsenen
an die vorderste „Front“ gerufen wurden, das entbindet keinen
Verantwortlichen von der Pflicht zur Verhältnismäßigkeit. Die
unnötig entstandenen martialischen Bilder provozieren neue Emotionen,
die eine sachliche Auseinandersetzung um S21 erschweren. Doch jetzt
ist Deeskalation angesagt. Man sollte innehalten, sich die Zeit
gönnen. Auf ein paar Wochen mehr oder weniger Bauzeit kommt es beim
„Jahrhundertprojekt“ wirklich nicht an.

Pressekontakt:
Rhein-Neckar-Zeitung
Manfred Fritz
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