Von Klaus Welzel
Endlich – nach neun Monaten ist Roman Polanski wieder ein freier
Mann. Das erleichtert aus irgendwelchen Gründen das halbe
intellektuelle Europa. Denn anders als im Fall von Priestern oder
Lehrern der Odenwaldschule genießt der Star-Regisseur einen
gesellschaftlichen Strafbonus. In etwa so wie Wetterfrosch
Kachelmann, dem ja auch viele Menschen eine Vergewaltigung nicht
zutrauen, weil er immer so sympathisch im Fernsehen auftrat. Dabei
besteht kein Zweifel: Polanski hat eine 13-Jährige mit Drogen gefügig
gemacht und vergewaltigt. Lang ist“s her. Das Opfer hat ihm
verziehen. Die amerikanische Justiz jedoch nicht. Da Polanski sich
rein formal seiner Strafe entzog, wäre die Tat auch in Deutschland
wohl nicht verjährt. Der 77-Jährige kommt aber frei, weil die USA die
Herausgabe eines ihn womöglich entlastenden Protokolls verweigerten.
Ein Freispruch zweiter Klasse also. Aber auch einer, der den Verdacht
nahelegt, der Künstler sei im Grunde nur ein Opfer der
amerikanisch-schweizerischen Missstimmungen rund um das Bankgeheimnis
geworden. Jetzt, wo die Fronten geklärt sind, darf auch der Regisseur
wieder gehen. Um das Opfer oder die Gerechtigkeit ging es in diesem
Fall nie. Die juristische Aufarbeitung ist insofern nicht einmal
drittklassig.
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