Reporter ohne Grenzen (ROG) unterstützt den Aufruf
italienischer Journalisten zu einem nationalen Streik und
Nachrichtenboykott am 9. Juli. Italienische Medienschaffende
protestieren damit gegen ein geplantes Gesetz zur Telefonüberwachung.
Der Gesetzesentwurf zur Einschränkung von Abhörmaßnahmen stellt einen
fundamentalen Eingriff in die Pressefreiheit dar: Die Gesetzesvorlage
sieht unter anderem hohe Strafen für die Veröffentlichung von
Mitschnitten abgehörter Gespräche vor, die zu Ermittlungszwecken
angefertigt wurden.
„Wir begrüßen den Protest der italienischen Medien“, sagt
ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard. „Diese Mobilisierung in
Italien ist von großer Bedeutung angesichts einer Gesetzesvorlage,
mit der die journalistische Berufspraxis in Frage gestellt wird und
die italienischen Medien daran gehindert werden, in angemessener
Weise zu recherchieren“, so Julliard weiter.
Mit der Annahme des umstrittenen Gesetzes drohen Journalisten bei
der Veröffentlichung von Protokollen oder Mitschnitten abgehörter
Telefonate eine einmonatige Haftstrafe oder ein Bußgeld bis zu 10.000
Euro. Verlagschefs müssen sogar bis zu 450.000 Euro zahlen. Strafen
drohen ebenfalls, wenn Dokumente, die im Zusammenhang mit
Strafverfahren stehen, publiziert werden. Verboten wäre nach dem
neuen Gesetz ebenfalls eine Berichterstattung über den Inhalt von
Ermittlungsverfahren vor Abschluss der Untersuchungen und Beginn des
Gerichtsprozesses.
Polizeiliche Aufzeichnungen von Telefongesprächen sind oftmals
zentrale Beweisstücke, wenn es um Korruption oder organisiertes
Verbrechen geht. Aus Sicht von ROG ist es widersprüchlich, einerseits
von den Medien Beweise für publizierte Aussagen zu verlangen,
gleichzeitig aber die Veröffentlichung solcher Beweise zu verbieten.
ROG warnt davor, dass ein solches Gesetz nicht nur in Italien
Auswirkungen zeigen würde. Als Gründungsmitglied der Europäischen
Union hat Italien eine besondere Verantwortung bei der Verteidigung
von bürgerlichen Freiheiten. Nach Einschätzung von ROG könnte das
neue Gesetz auch den Einfluss der EU in punkto Meinungs- und
Pressefreiheit beeinträchtigen. „Wie glaubwürdig ist das Europäische
Parlament, wenn es freiheitsbedrohende Praktiken in Drittstaaten
verurteilt und diese in den Mitgliedsstaaten toleriert?“, so der
ROG-Generalsekretär.
„Wir fordern die Mitglieder der italienischen Abgeordnetenkammer
ein weiteres Mal auf, diesem Gesetzesentwurf ihre Stimme zu
verweigern“, fordert Julliard. Auch das Europäische Parlament müsse
das umstrittene Gesetz und die Situation der Pressefreiheit in
Italien in einer Debatte aufgreifen, appelliert der
ROG-Generalsekretär.
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