Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.: SdK fordert Banken zum Verzicht der Fair-Value-Bilanzierung auf

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Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.: SdK fordert Banken zum
Verzicht der Fair-Value-Bilanzierung auf

DGAP-Media / 20.10.2011 / 12:20

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Bilanzierungspraxis der Fair Value-Bilanzierung mussüberdacht werden.

Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. sieht in der
Fair-Value-Bilanzierung einen destabilisierenden Faktor für die
Finanzmärkte und zunehmend intransparente Finanzabschlüsse, die eine
vergleichende Bewertung der Unternehmen durch Außenstehende kaum noch
zulassen.

Ferner können durch die Anwendung der Fair-Value-Bilanzierung
bilanztechnische Erträge generiert werden, die zu einer Erhöhung variabler
Vergütungen und Bonuszahlungen an interne Führungsgremien führen können,
obwohl diese nicht verdient wurden und die zu einem späteren Zeitpunkt
entsprechende Aufwendungen verursachen können. In der aktuellen kritischen
Situation ruft die SdK daher vor allem die Banken dazu auf, auf eine
Fair-Value-Bilanzierung von Verbindlichkeiten und Vermögenswerten zu
verzichten.

Außerdem fordert die SdK von den europäischen Regierungsvertretern, diese
Bilanzierungspraxis ganz grundsätzlich zuüberdenken und dies gegenüber den
USA, dem Verfechter des Fair Value Ansatzes, entsprechend zu vertreten.
Eine erneute Auseinandersetzung um die sog. Fair-Value-Option (FVO)
erscheint umso dringlicher, als der weite Anwendungsbereich dieser Option
auf praktisch alle marktgehandelten Schuldtitel und Vermögenswerte im
Vorfeld der Einführung des Standards IAS 39 umstritten war und anscheinend
nur auf Druck der Bankenlobby durchgesetzt wurde. Wie widersinnig diese
Bilanzierungsmethode ist, zeigt ein Blick auf Griechenland. Würde man einen
Fair-Value-Ansatz auf dessen Staatsschulden anwenden, würde sich das
Staatsdefizit in ein Plus verwandeln.

Ausführliche Erläuterung:

Das Thema Fair-Value-Bilanzierung erscheint gerade wieder aktuell, da die
Rechnungslegungsvorschriften des International Financial Reporting
Standards (IFRS) die Bilanzierungsmethode des sog. Fair Value u.a. für
bestimmte Arten von Verbindlichkeiten, die an einem Markt gehandelt werden
können und somit einen Marktwert aufweisen, erlauben. Namentlich fallen
hierunter börsengehandelte Schuldverschreibungen von Unternehmen. Diese
Verbindlichkeiten können demnach zum sogenannten Marktwert bilanziert
werden. Liegt dieser unter dem Ausgabewert der Schuldverschreibungen, hat
die damit verbundene Abschreibung außerordentliche Erträge zur Folge. Vor
allem zahlreiche US-Banken haben ausweislich der aktuell vorgelegten
Quartalszahlen davon erheblich Gebrauch gemacht, und dadurch trotz eines
schwierigen Marktumfelds zufriedenstellende Ergebnisse vermeldet. Bei der
Investmentbank JP Morgen beispielsweise sorgte diese Bilanzierungspraxis im
dritten Quartal 2011 für einen positiven Ergebnisbeitrag in Höhe von 1,9
Mrd. US-Dollar.

Der erstaunliche Effekt dieser Bilanzierungsmethode liegt darin, dass
Unternehmen bilanztechnisch daran verdienen, wenn es ihnen wirtschaftlich
schlecht geht und der Markt den möglichen Ausfall der Anleihe mit
Kursabschlägen bestraft. Der Effekt ist umso höher, je höher das
Ausfallrisiko ist. Ein Unternehmen, das kurz vor der Insolvenz steht,
würde demnach gemäßdieser Bilanzierungspraxis den höchst möglichen Ertrag
erzielen! Das große Erwachen kommt spätestens dann, wenn die
Verbindlichkeit/Anleihe zum Nominalwert vollständig zurückgezahlt werden
muss. Denn dann ist die Verbindlichkeit ebenfalls wieder auf den
ausstehenden Nominalwert zuzuschreiben, wodurch dann das Ergebnis
entsprechend belastet wird.

Auch auf der Seite der Vermögenswerte kann von der Fair-Value-Option
Gebrauch gemacht werden. Vor allem in der zurückliegenden Bankenkrise in
2008, als besondere Marktkonstellationen vorlagen, wurde die
Fair-Value-Option oft genutzt. Damals konnte für bestimmte von Banken
gehaltene Wertpapiere aufgrund eines Marktzusammenbruches kein Marktpreis
mehr festgestellt werden, wodurch auch kein für die Rechnungslegung
objektivierter Preis mehr vorlag. Den Banken ist es erlaubt, in einem
solchen Markumfeld, diese Wertpapiere in andere Kategorien umzugliedern,
und anstatt des Marktpreises einen anhand von theoretischen Modellen
errechneten Preis für die Rechnungslegung zu verwenden. Welche Bank das mit
welchen Papieren und in welchem Ausmaßgemacht hatte, war für den
Außenstehenden nicht nachvollziehbar.

Die zulässige Wahlmöglichkeit für die Neubewertung von Vermögenswerten und
Finanzverbindlichkeiten führt zu einem Transparenzverlust, da die
Unternehmen bzw. deren Abschlüsse nicht mehr miteinander vergleichbar
sind, da jedes Unternehmen unterschiedlich stark von der
Fair-Value-Bilanzierung Gebrauch machen kann.

DerÖffentlichkeit kaum vermittelbar dürfte es sein, wenn durch die
Verwendung des Fair-Value- Prinzips die erfolgsabhängige Vergütung und
Bonuszahlungen der Bankangestellten erhöht würden. Genau diesen Effekt
würde aber die Fair-Value-Bilanzierung erwirken können.

Um diese Bilanzierungsmethode ad absurdum zu führen, braucht man sich nur
das Beispiel Griechenland näher anzusehen. Angenommen Griechenland dürfte
seine emittierten Schuldtitel zum Fair-Value bilanzieren, die derzeit im
Schnitt mit ca. 58 % Abschlag zum Nominalwert gehandelt werden, würde sich
in einer beispielhaften Ergebnisrechnung das Staatsdefizit Griechenlands in
ein starkes Plus verwandeln. Das jedoch Griechenland weiterhin auch vor
Zins- und Tilgungsleistungen mehr ausgibt als es einnimmt, und auch
weiterhin die Zinsen zahlen und Tilgungen leisten muss, bleibt völlig außen
vor. Erstaunlich nur, dass noch kein findiger Politiker auf diese Idee
gekommen ist.

München, den 20.10.2011
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

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Ende der Pressemitteilung

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