Schwäbische Zeitung: Alles Merkel oder was?

Sie hat zwar nicht die 100 Prozent eines Konrad
Adenauer erreicht, aber fast. Angela Merkel, unumstrittene
Herrscherin im CDU-Reich, ist zum achten Mal als Parteivorsitzende
wiedergewählt worden. Die CDU ist gut mit ihr gefahren, zumindest im
Bund. Gute Umfragen, hohe Beliebtheitswerte. Und doch wird die CDU zu
Recht bereits als „Dame ohne Unterleib“ bezeichnet. Als Merkel 2005
Kanzlerin wurde, regierte die CDU noch in zehn Ländern. Heute sind es
nur noch vier, obwohl die CDU in manchen Ländern wie
Baden-Württemberg stärkste Partei ist. Doch vielerorts fehlt
schlichtweg der Koalitionspartner – eine schmerzhafte Erfahrung.

Merkel hat in ihrer bisher besten Rede als Parteichefin zwar
bekräftigt, dass sie die FDP in dieser Hinsicht noch nicht
abgeschrieben hat. Doch ein bisschen schien es wie ein
Lippenbekenntnis, denn sie dankte gleichzeitig, unter viel Beifall,
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, dass er hat Schwarz-Grün
hinbekommen hat. Und sie bedauerte, es sei „schade“, dass dies im
Bund nicht gelungen sei.

Dann knöpfte sie sich die SPD vor, die sich im Bündnis mit der
Linken klein mache. Merkels Botschaft war klar: Die Grünen sind gut
beraten, über Bündnisse mit der CDU nachzudenken. Denn für ein linkes
Bündnis im Bund reiche es niemals, eher werde die CDU allein
regieren. Dass Merkel von einer drohenden linken Koalition ausgeht,
ist ein starkes Misstrauensvotum gegen Vizekanzler Sigmar Gabriel.
Sie schenkt seinen Versicherungen, Rot-Rot-Grün im Bund komme für ihn
nicht in Frage, keinen Glauben.

Sollte Merkel unter diesen Umständen doch als Kanzlerin
weitermachen, könnte ihre Partei allerdings vollends einschlafen,
denn alle Impulse, siehe Abbau der kalten Progression, werden schon
jetzt nicht mehr diskutiert, sondern glatt geschliffen mit Rücksicht
auf die Regierungsfähigkeit. Dem Land allerdings ist eben jene
ruhige, uneitle Konsensfähigkeit Merkels bislang gut bekommen. Es
steht weit besser da als manche Länder mit mutigen und innovativen
Regierungen.

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