Schwäbische Zeitung: Amerikanischer Blickwinkel – Kommentar

Deutschlands erstklassige Kreditwürdigkeit ist
bedroht, während der Rekordschuldner USA immer noch Top-Bonität
genießt. Das ist Wasser auf die Mühlen aller Kritiker, die behaupten,
US-Rating-Agenturen seien Erfüllungsgehilfen der Regierung in
Washington. Zumindest ein wahrer Kern steckt in diesem Vorwurf:
Moody–s hat eine durch und durch amerikanische Sicht auf die
Eurokrise. Die Rating-Agentur will Politik machen – und zwar gegen
die Kanzlerin. Moody–s sieht Deutschlands Staatsfinanzen nicht etwa
in Gefahr, weil Merkel zu viel, sondern zu wenig tut.

Die Amerikaner wünschen sich, dass Deutschland Europas Wirtschaft
mit Staatsgeld ankurbelt und für Schulden strauchelnder Nachbarn
einsteht, etwa durch Ausgabe gemeinsamer Anleihen. Am liebsten wäre
es Ökonomen jenseits des Atlantiks, wenn die Europäische Zentralbank
die Schuldscheine schwächelnder Staaten in großem Stil aufkauft. So
machen es Briten und Amerikaner schon lange. Moody–s empfiehlt den
Deutschen den Weg in die Schuldenunion und sehnt den europäischen
Superstaat herbei.

Zum Glück haben Rating-Agenturen an Einfluss und Strahlkraft
verloren. Politiker und Börsen scheren sich nicht mehr um die
Empfehlungen der US-Analysten. Der Dax rührte sich gestern kaum.

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