Arbeitszeugnisse sind eine komplizierte
Angelegenheit: Sie müssen wohlwollend und positiv formuliert sein und
gleichzeitig der Wahrheit entsprechen. Ein Arbeitszeugnis liest sich
in der Regel, als wäre es in einer Geheimsprache verfasst. Hinter
jeder Formulierung – und klingt sie noch so positiv – steckt eine
klare Botschaft, die Qualität und Leistung der Arbeit beurteilt. Was
bewusst oder unbewusst unerwähnt bleibt, entspricht einer schlechten
Note. Laien durchschauen das nur schwer.
Wer mit seinem Zeugnis nicht einverstanden ist, kann sich wehren.
Im Streitfall muss ein Arbeitnehmer vor Gericht beweisen, dass er die
bessere Beurteilung verdient hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht
jetzt entschieden. Dass es diese Möglichkeit gibt, ist notwendig und
schützt Arbeitnehmer vor Willkür.
Ein Arbeitszeugnis kann Türen öffnen. Deshalb wollen Beurteilte in
diesem Dokument möglichst großartig da stehen. Doch was sind
Zeugnisse wert, wenn sie – wie eine Studie der Universität
Erlangen-Nürnberg ergeben hat – in fast 90 Prozent der Fälle gut oder
sehr gut ausfallen?
Auch wenn ein Arbeitszeugnis eine Eintrittskarte sein kann, bleibt
es nur ein Teil vom Ganzen. Es ist ein Blatt Papier, das nicht
überbewertet werden sollte. Denn Zeugnisse allein sind wenig
aussagekräftig: Erstens, weil die Verfasser oft selbst kaum mit allen
Geheimcodes der Zeugnissprache vertraut sind und so unbeabsichtigt
schwerwiegende Formulierungsfehler begehen. Zweitens, weil es üblich
ist, dass der Beurteilte das Zeugnis selbst entwirft und der Chef nur
unterschreibt. Dadurch gehen Sachlichkeit und Distanz verloren.
Drittens, weil Bewertungen in Arbeitszeugnissen immer subjektiv sind.
Und viertens, weil sich Menschen verändern.
Schwächen gehören zum Profil eines jeden Menschen, sie machen die
Stärken eines Beurteilten umso glaubwürdiger. Es ist bedauerlich für
Arbeitgeber, wenn sie Bewerber mit Ecken und Kanten aussortieren.
Hinter dem glattesten, makellosesten Lebenslauf steckt nicht
unbedingt der beste Mitarbeiter.
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