Schwäbische Zeitung: Das entsetzliche Organversagen – Leitartikel

Das Schmierentheater, das einige Ärzte mit dem
überaus heiklen Thema Organtransplantation angerichtet haben, schadet
nicht nur dem Ansehen der deutschen Medizin, sondern vor allem auch
dem Anliegen, Menschen für die Organspende zu gewinnen.

Wer sich vorstellt, dass Todkranke vergeblich auf eine neue Leber
gewartet haben, während Wohlhabende in einer Klinik in Jordanien
bevorzugt wurden, der erkennt: Hier hat es genau jene
Zwei-Klassen-Medizin gegeben, die eines Gemeinwesens unwürdig ist,
das ganz bewusst das Überleben nicht vom Geldbeutel abhängig machen
will.

Da wurde getrickst und manipuliert. Da wurden Spenderlebern und
deutsche Ärzte aus steuerfinanzierten Kliniken nach Amman geflogen.
Und da gibt es sogar ein Bonus-System, das Ärzten ganz offiziell auch
finanzielle Vorteile verschafft, wenn sie fleißig Organe verpflanzen.
Denn auch die Kliniken kassieren mit nach dem unheilvollen System der
sogenannten Fallpauschalen.

Was nun scheibchenweise ans Licht kommt, wird Menschen
verständlicherweise zweifeln lassen, ob sie sich als Spender
hergeben, wenn offenbar doch das Risiko besteht, dass mit ihren
Organen Schindluder getrieben wird und im konkreten Fall selbst die
bayerischen Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden bis hin zu
Ministerien keine wirksamen Konsequenzen gezogen haben.

Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe und kein
Geschäftsmodell. Wer diesen Grundsatz missachtet, lässt Vorurteile zu
einer Gewissheit werden und die Angst vor einer Organ-Mafia zur ganz
realen Bedrohung. Zumal die Akteure, die ihrem Berufsstand Schande
machen, hoch geachtete und international dekorierte Mediziner waren,
bis nun herausgekommen ist, dass mit der Hilfsbereitschaft
zahlreicher Menschen unsägliche Manipulationen angestellt wurden. So
fällt es schwer, bei den Bürgern für jene Barmherzigkeit zu werben,
die das neue Transplantationsgesetz auch mit sanftem Druck
regelmäßiger Nachfragen fördern soll.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Weitere Informationen unter:
http://