Die Bundesregierung startet einen Dialog mit
dem Bürger, um herauszufinden, was für diesen Glück bedeutet
beziehungsweise zum selbigen fehlt. Das klingt lobenswerter, als es
in Wirklichkeit ist. Stellt sich doch die Frage, ob die
Lebensqualität der Bürger nicht ohnehin das Kernthema von Politik
sein sollte. Und was bitte hat die Bundesregierung in der
Vergangenheit gemacht? Etwa auf den Bürger nicht gehört und an ihm
vorbeiregiert? Bei den Veranstaltungen dürfte es sich also um Werbung
in eigener Sache handeln. Aber selbst wenn wir gute Absichten
annehmen, bleibt ein ungutes Gefühl.
Die Bundesregierung fragt den Bürger und definiert dann für ihn,
was ein gutes Leben ausmacht. Sie formuliert für 80 Millionen
Deutsche einen gemeinsamen Nenner. Das ist absurd, passt aber in eine
Zeit, die Individualismus wenig Raum lässt, die in allen
Lebensbereichen Normen und Optimierung fordert. Und es passt in ein
weiteres aus anderen Ländern bekanntes Projekt, das Kanzlerin Merkel
derzeit vorantreibt: Nudging. Von der Verhaltensökonomie kommend,
werden dabei Bürger auf ein bestimmtes Verhalten getrimmt. Etwa durch
clever formulierte Mahnschreiben zu treuen Steuerzahlern gemacht, mit
Smileys für sparsamen Stromverbrauch belohnt. Vorschläge gehen auch
dahin, Organspende so anzuordnen, dass jeder Bürger als Organspender
gilt – es sei denn, er entscheidet sich ausdrücklich dagegen. Die
Bundesregierung will somit in einem ersten Schritt definieren, was
uns glücklich macht – und uns in einem zweiten über psychologische
Winkelzüge zu diesem Glück zwingen. Ein schauerlicher Gedanke. Ist
der Staat doch lediglich dazu da, über Gesetze einen Rahmen zu
stecken, innerhalb dessen jeder selbst entscheidet, was für ihn gut
ist – was ihn glücklich macht. Das beinhaltet die Freiheit der
Gefühle, der Religion, der Meinung und nicht zuletzt auch das Recht
auf Unvernunft.
Man muss übrigens kein Sympathisant der FDP sein, um in diesem
Zusammenhang ein liberales Gewicht im Bundestag zu vermissen.
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