Schwäbische Zeitung: Den Nerv getroffen – Leitartikel zum Tarifstreit

Im Tarifstreit der Metallindustrie stehen die
äußeren Zeichen noch auf Konfrontation. Doch es gibt auch erste
Anzeichen von Bewegung auf beiden Seiten.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte im Vorfeld signalisiert, kleine
und mittlere Unternehmen vom Streitthema Arbeitszeit auszunehmen.
Auch die Arbeitgeber zeigten Kompromissbereitschaft: Bei den
Arbeitszeiten brauchen wir Öffnungsklauseln nach oben, dann seien
auch Öffnungsklauseln nach unten möglich, ließ sich der Chef des
Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Stefan Wolf, zitieren.

Lange haben die Gewerkschaften nur über Löhne geredet. Mit ihrer
Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten trifft die IG Metall jetzt
einen Nerv. Vielen Beschäftigten fällt es immer schwerer, sich
angesichts stetig steigender Anforderungen im Job auch noch
angemessen um familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Vor allem
berufstätige Eltern und Pflegende fühlen sich oftmals überfordert.
Zugleich steigt die Zahl der Überstunden: Rund eine Milliarde
Überstunden haben deutsche Arbeitnehmer 2016 angehäuft – die meisten
sogar unbezahlt.

Inzwischen wünschen sich viele Beschäftigte, temporär im Job
kürzer zu treten, um sich zum Beispiel mehr in der Familie zu
engagieren oder um Angehörige pflegen zu können. Sie möchten aber
später ihre volle Stelle wiederhaben. Doch nur wenige Unternehmen
machen das bislang möglich.

In diesem Punkt werden sich die Arbeitgeber bewegen müssen. Das
fällt Großkonzernen naturgemäß leichter als kleinen Firmen. Und das
weiß auch die IG Metall. Es wäre nichts Neues in der Tarifpolitik,
Leistungen etwa von der Betriebsgröße abhängig zu machen, und so der
spezifischen Personalsituation von Mittelständlern Rechnung zu
tragen. Womit die Gewerkschaft allerdings über das Ziel
hinausschießt, ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung mit
Lohnausgleich. Die Kosten für Kindererziehungszeiten und Pflegepausen
bei den Unternehmen abzuladen, ist schlicht der falsche Weg.

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