Politisch und weitgehend auch gesellschaftlich
hat der Volksentscheid zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 Klarheit
geschaffen. Seit Ende November weiß die Bahn sogar die Bevölkerung
auf ihrer Seite. Der grüne Teil der Landesregierung wiederum steckt
in der Pflicht, die Umsetzung des Projekts nicht zu blockieren. Der
rote Koalitionspartner wird streng darauf achten. Ein Teil des
Widerstands hat seinen Protest aufgegeben. Ein bisschen Befriedung
ist tatsächlich in Stuttgart eingetreten. Dazu geführt hat auch der
behutsamere Stil insbesondere des Innenministers, um eine neue
Schlacht im mittleren Schlossgarten zu verhindern. Sogar soziale
Netzwerke setzt die Polizei jetzt für ihre Informationen ein.
Aber es wird nicht ohne Reibereien weitergehen. Nicht
auszuschließen ist, dass der Protest wieder zunehmen wird. Denn die
Gegner von S21 bekommen Argumente geliefert, solange Details immer
noch nicht einwandfrei geklärt sind. Die Verantwortung dafür liegt
vor allem beim Bauherren Bahn und der entscheidenden
Genehmigungsinstanz für so ein Großprojekt, dem Eisenbahn-Bundesamt.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirkt deshalb erkennbar
verärgert. Er steht zwar zu seiner politischen Verantwortung. Aus dem
Gegner ist in seiner Rolle als Ministerpräsident ein Projektpartner
geworden. Aber es fällt ihm schwer, diesen Part so
kritisch-konstruktiv wie angekündigt auszufüllen, weil auf wichtige
Fragen bislang Antworten ausgeblieben sind. Diese aber mahnt er zu
Recht an.
Insbesondere Kretschmann muss mehr als alle anderen um seinen Ruf,
um seine Wertschätzung über Parteigrenzen hinweg fürchten. Er darf
das Recht nicht beugen, er muss ihm Geltung verschaffen und darf sich
persönlich dabei nicht verbiegen. Auch in seiner Partei hat die
Einsicht überwogen, trotz aller Gegnerschaft zu dem Milliardenprojekt
die Politik für das Land nicht nur daran ausrichten zu können.
Solange Stuttgart 21 aber von Ungewissheiten und Ungereimtheiten
begleitet wird, schleppt Grün-Rot viel Ballast mit sich.
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