Ob jemand beim Verfassungsschutz etwas
verschlampt oder vertuscht hat: Das Ergebnis bleibt zunächst
dasselbe. Die Akten – geschreddert oder verlegt – sind erst mal weg.
Aber während der Schlamperei Fahrlässigkeit zu Grunde liegt, setzt
das Vertuschen ein aktives, bewusstes Handeln voraus. Darin liegt ein
großer qualitativer Unterschied. Wenn Verfassungsschützer
Aktenmaterial zur rechtsextremistischen Mörderbande NSU vernichtet
haben, nachdem diese aufgeflogen war, dann legt das den Verdacht sehr
nahe, dass es sich eben nicht um Schlamperei, sondern um
absichtliches Vertuschen handelt – aus welchen Gründen auch immer.
Die Einlassung, es habe sich nur um nebensächliches Material
gehandelt, klingt eher peinlich als plausibel. Es wäre Sache eines
Kontrollgremiums gewesen, die Akten entsprechend zu sichten und zu
gewichten, besonders in einem derart brisanten Fall, der zu
Verschwörungstheorien geradezu einlädt. Die Arbeit der
Verfassungsschützer steht nun zweifach im Zwielicht. Erstens: Sie
haben als Sicherheitsbehörde versagt, weil die Zwickauer Neonazis
über Jahre hinweg ungestört morden konnten. Zweitens: Mit den nun
bekannten Details steht der Verdacht im Raum, dass illegale
Aktivitäten einer staatlichen Stelle verheimlicht werden sollten. Ein
schlimmer Verdacht.
Dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz seinen Hut
nimmt, zeugt einerseits von persönlicher Konsequenz, heilt
andererseits aber gar nichts. Der Nachfolger Erich Fromms muss für
einen Neuanfang stehen. Bundesinnenminister Friedrich tut gut daran,
ihn sich sorgfältig auszusuchen. Wesensmerkmal aller Geheimdienste
ist ein gewisser Graubereich. Nur so können sie funktionieren. Aber
in einer rechtsstaatlichen Demokratie darf es nie so weit kommen,
dass die Dienste unbehelligt – im Sinne von kaum oder schlecht
kontrolliert – ihr Eigenleben führen. Exakt dies scheint aber der
Fall gewesen zu sein. Die Lehre daraus liegt auf der Hand: Straffere
Führung und effizientere Kontrolle sind notwendig.
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