Schwäbische Zeitung: Der Mensch lässt sich auch gerne belügen – Kommentar

Die Vergleichsportale für Strompreise sind bei
Stiftung Warentest durchgefallen. Die Nachricht passt in eine Welt,
die alles kontrollieren will und sich dabei selbst belügt.

Wer heute eine Tiefkühllasagne kauft, kann auf der Packung
detailliert nachlesen, welche Zutaten das Gericht enthält –
angeblich, kann die Auflistung doch eine Lüge sein. Wer heute welches
Produkt auch immer kaufen will, kann sich an Qualitätssiegeln
orientieren – von denen es mehr als 1000 gibt, mal mehr, mal weniger
seriös. Wer heute den besten Stromanbieter sucht, kann sich auf die
angeblich unabhängigen Vergleichsportalen verlassen – und ist
verlassen. Ob Listen, Stempel, Siegel oder Portale; all diese
Instrumente suggerieren eine Sicherheit, die sie nicht erfüllen
können, sind sie doch selber von Menschen gemacht – und damit nicht
frei von Fehlern. Der Mensch lässt sich aber auch gerne belügen.

Er sucht in einer unsicheren Welt nach totaler Sicherheit. Strebt
unablässig nach der effizientesten Lösung, schaltet im Auto selbst
dann das Navi ein, wenn die Strecke bekannt ist, sicher ist eben
sicher. Dabei könnte es so leicht sein: Wer wissen will, was in
seiner Lasagne steckt, macht sie am besten selber. Wer Strom sparen
will, macht am besten unnötig brennendes Licht aus. Wer sich nicht
immer und überall von der Technik bestimmen lassen will, fährt Auto
auch mal nach Gefühl und Verstand. Das ist kein neuer Appell, aber
aktueller denn je. Einer an die Einfachheit, an das Vertrauen in sich
selbst und die eigene Urteilskraft, an das, was den Menschen und sein
Leben auch ausmacht: die Unvollkommenheit.

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