Schwäbische Zeitung: Der Populist hat es leicht – Leitartikel

Habilitierte Finanzwissenschaftler streiten über
den richtigen Weg für die Griechenland-Rettung. Die Mehrheit der
Deutschen lehnt nach einer Umfrage die Hilfsmaßnahmen ab und
befürwortet eine Ablehnung durch den Bundestag. Einzelne Abgeordnete
artikulieren immer wieder ihren Unmut, vor allem in den
Koalitionsfraktionen. Wen wundert es vor diesem Hintergrund, dass es
der Bundesregierung nicht gelingt, alle Ressorts bei der heutigen
Abstimmung über das Griechenland-Hilfspaket auf Linie zu bringen.

Ein Unsicherheitsfaktor der deutschen Politik ist nicht erst seit
diesem Wochenende die CSU. Während Bayerns Ministerpräsident Seehofer
erklärt, er wünsche sich für die heutige Abstimmung die
Kanzlermehrheit, darf CSU-Innenminister Friedrich den Griechen auch
mit Blick auf die Mehrheitsmeinung der Deutschen den Euro-Ausstieg
nahelegen und damit im Detail dem Finanzminister widersprechen.
Dieser wirbt um die Zustimmung, damit die Griechen weiter im Euro
bleiben können, schließt aber neuerdings auch nicht mehr aus, dass
der permanente Rettungsfonds ESM nicht doch vergrößert werden muss.
Anfang Februar hatte Schäuble dies noch vehement zurückgewiesen.

Klare Linien sehen anders aus, aber wahrscheinlich gelingt es in
dem komplexen Umfeld „Euro-Rettung“ lediglich Dogmatikern, Ideologen
und Populisten, eine eindeutige Position zu beziehen. Sie haben es
leicht, immer wieder aufs Neue ihre Säue durch das europäische Dorf
zu jagen. Für in Verantwortung stehende Politiker ist das nicht
möglich und vieles spricht dafür, dass die oftmals schwer zu
vermittelnde Richtung der Kanzlerin die einzig erfolgversprechende
zur Beendigung der griechischen Staatsschuldenkrise ist. Private
Gläubiger sind nun beteiligt, Griechenland setzt auf schmerzhafte
Reformen und gibt dabei seine wirtschaftliche Unabhängigkeit auf.

Sollte all dies nicht greifen, dann hat Europa zumindest Zeit
gewonnen, um einen Domino-Effekt nach einer Pleite Athens zu
verhindern.

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