Natürlich sind die Ängste vieler Eltern krude 
und undifferenziert: Auch künftig werden die Kleinen in 
Baden-Württembergs Kindergärten nicht zur Homosexualität erzogen und 
in Grundschulen nicht zwangssexualisiert. Viele Bedenken sind 
sachlich nicht begründbar: Denn noch geht es nur um ein 
unausgegorenes Arbeitspapier zu einem noch auszuarbeitenden 
Bildungsplan, an dem noch Hunderte Menschen mitschreiben werden. Und 
die durch und durch reaktionäre Blut-Boden-Familienschutz-Rhetorik 
mancher Kritiker lässt frösteln.
   Wer allerdings glaubt, dass sich lediglich ein paar Spinner und 
Eiferer erregen, denen die große Politik kein Gehör schenken braucht,
irrt. Die Landesregierung täte gut daran, die Ängste endlich ernst zu
nehmen. Denn neben den üblichen Verdächtigen demonstrierten am 
Samstag in Stuttgart auch viele bisher unpolitische Menschen und 
Demo-Neulinge, die in Sorge sind um ihre Kinder, um ihr Weltbild. Sie
haben wirklich Angst, von einer wohlmeinenden Regierung bevormundet 
zu werden. Auch wenn manche Sorgen diffus und viele Argumente bei 
Licht besehen hanebüchen sind – mit dieser Angst sind sie leichte 
Beute für Demagogen und Menschenfänger.
   Tatsächlich haben die etablierten Parteien bisher zu wenig getan, 
diese Sorgen zu zerstreuen und Antworten zu geben: Das SPD-geführte 
Kultusministerium kann immer noch nicht genau sagen, wie genau das 
Arbeitspapier zustande kam und was von ihm am Ende in den 
Bildungsplan wandern soll. Die Grünen sehen in den Protesten nur die 
Bestätigung, dass das Land offener und bürgerlicher werden muss. Die 
CDU hat immer noch keine gemeinsame Haltung gefunden, und die FDP 
irrlichterte tagelang in der Frage herum, was eine richtige Familie 
ausmacht.
   Schon sprechen einige von einer Tea Party des Südwestens. Eine 
außerparlamentarische Bewegung, die nach dem US-Vorbild die 
Landtagsparteien von rechts in die Zange nimmt und die Gesellschaft 
spaltet. So weit ist es längst noch nicht, doch der Riss ist 
sichtbar. Es ist höchste Zeit für die Politik, ihn zu kitten.
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