Schwäbische Zeitung: Der überforderte Parteichef Rösler – Leitartikel

Das Problem hieß nicht Christian Lindner. Das
Problem heißt Philipp Rösler. Die FDP verliert mit dem Rücktritt von
Lindner ihren einzigen Strategen, sie verliert ein politisches
Talent, das langfristig die Abteilung Attacke mit inhaltlichen
Konzeptionen hätte zusammenbringen können. Rund um Parteichef Rösler
wird es nicht nur einsam, es wird jetzt auch noch eindimensionaler,
oberflächlicher und anspruchsloser.

Seit Monaten wurde in Berlin über eine gewisse Amtsmüdigkeit von
Lindner gemunkelt. Gestaltungsmöglichkeiten hatte er wenige. Nach
außen sprang Lindner immer wieder für verunglückte Aussagen seines
Parteivorsitzenden in die Bresche, nach innen hatte er wenig Macht.
In der Bundesgeschäftsstelle hat die kaum bekannte Gabriele Renatus
das Sagen. Rösler und das Präsidium haben es unterlassen, dem
ehrgeizigen Generalsekretär einen schlagkräftigen Apparat im
Thomas-Dehler-Haus zur Verfügung zu stellen. Der intellektuell
stärkste Liberale hatte eben real nicht den Einfluss, den er in der
Öffentlichkeit zu haben schien. Dass sich der nicht minder eitle und
im politischen Ränkespiel geübte Fraktionschef Rainer Brüderle
ungebremst an Lindner abarbeitete, um damit Rösler zu treffen,
spricht auch nicht gerade für die Führungskraft des in der Partei
überschätzten Vorsitzenden.

Für die FDP brechen jetzt noch härtere Wochen und Monate an als
ohnehin prognostiziert. Die Partei taumelt in die
Bedeutungslosigkeit. Es ist gut möglich, dass der Problemfall Rösler
am morgigen Freitag wie ein Magnet ein weiteres Problem an sich
zieht: Die Mitgliederbefragung zur Euro-Rettung. Undemokratisch und
strategisch dumm hat Rösler den Entscheid schon für gescheitert
erklärt. Was wird er tun, wenn das Quorum zwar nicht erreicht wird,
aber sich die Mehrheit gegen die Richtung des Parteivorstands
manifestiert? Der Niedersachse ist im Amt überfordert. Man fragt
sich: Scheitert Rösler an der Partei oder an seinem übersteigerten
Selbstwertgefühl?

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