Schwäbische Zeitung: Deutsche Verantwortung – Leitartikel

Nun wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
und ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vielleicht doch
Waffen ins irakische Kurdistan schicken. Es spricht für die
beeindruckende Flexibilität dieser Kanzlerin, dass sie wieder
abgewartet hat, wie die öffentliche Meinung sich entwickelt, um dann
so zu tun, als sei sie eigentlich schon immer der Überzeugung
gewesen, dass man den Kurden Waffen geben sollte.

In der Diskussion über die Lieferung von Nachtsichtgeräten und
Waffen artikulieren sich sowohl eine tiefe deutsche Verunsicherung
als auch deutsche Bequemlichkeit. Dürfen wir, nach dieser deutschen
Geschichte, Waffen ins Ausland schicken, in einen bewaffneten
Konflikt, der eskalieren könnte? Kann es uns dabei nicht wie den
Amerikanern gehen, die einst in Afghanistan die Mujahedin im Kampf
gegen die sowjetische Besatzungsarmee unterstützten und merkten, dass
sie auch einen Osama bin-Laden gefördert hatten?

Die deutschen Bedenken werden – zu Recht – von vielen anderen
Nato-Partnern als Ausrede und als Bequemlichkeit gewertet. Fast 70
Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist die deutsche
Auseinandersetzung mit der historischen Verantwortung eben so weit,
dass es ein „Abseitsstehen“, wie es Bundespräsident Gauck nennt,
nicht mehr geben kann.

Dass Deutschland sich schwertut mit der Entscheidung, Waffen zu
schicken, oder dem Entschluss, sich gar an einem bewaffneten Einsatz
zu beteiligen, ist zwar richtig. Doch bei weiterer Überlegung
entsteht gerade aus dem Bewusstsein für die deutsche Geschichte mit
zwei Weltkriegen und millionenfacher Vernichtung eine besondere
Verantwortung. Zu der gehört selbstverständlich das Engagement gegen
Diktaturen und das entschlossene Auftreten gegen die Verfolgung und
Vernichtung von Minderheiten.

Es gilt, Schlimmeres zu verhindern. Wenn wir uns nicht durch
Abseitsstehen schuldig machen wollen, ist die Lieferung von Waffen an
Iraks Kurden nur konsequent

Gut, dass auch die Kanzlerin das nun so sehen könnte.

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