Schwäbische Zeitung: Die Bringschuld der Muslime

Terror und Mord haben mit dem Islam nichts zu
tun. Man mag diesen ritualisierten Satz nicht mehr hören, weil er
erstens nichts erklärt und zweitens an der Wahrheit vorbeischrammt.

Wer heute behaupten würde, Hexenverbrennungen, Ketzerverfolgung
und Kreuzzüge hätten mit dem Christentum nichts zu tun gehabt, an
dessen Verstand müsste zu Recht gezweifelt werden. Die Mordanschläge
von Paris, die fast nicht mehr zählbaren Selbstmordattentate weltweit
und die Gräueltaten des sogenannten Islamischen Staats haben also
sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun. Sie sind Folge einer
Koran-Interpretation, welche die große Mehrheit der Muslime als
Perversion bewertet. Leider jedoch übt diese pervertierte Lesart der
Weltreligion derzeit nicht auf Einzelne, sondern auf Tausende
überwiegend junger Muslime eine fatale Faszination aus.

Es ist zuallererst ein innerislamisches Problem. Genauer: Weil es
nicht den einen Islam gibt, ist es ein Problem seiner vielfältigen
Ausprägungen, seiner geistlichen Autoritäten, seiner Medien, seiner
Politiker. In die überwiegend klare Ächtung des Anschlags von Paris
durch muslimische Staaten und ihre Repräsentanten mischen sich auch
irritierende Stimmen. Die regierungstreue türkische Presse
kommentiert sinngemäß: selber schuld. Und der Chefredakteur der
größten Zeitung des Fußball-WM-Gastgeberlandes Katar hat die Muslime
aufgerufen, den Opfern des Terrorakts kein Beileid zu bekunden. Das
ist nicht mehr sehr weit entfernt von den gehässigen Kommentierungen,
welche Gesinnungsfreunde der Mörder in den digitalen Medien
verbreiten.

Falls es zutrifft, dass dieser Anschlag dem höchsten Gut der
europäischen Gesellschaften gegolten hat, nämlich der Freiheit in
einem umfassenden Sinne, dann resultiert daraus eine Bringschuld der
in Europa lebenden Muslime. Sie müssen laut vernehmbar zu diesen
Freiheitswerten stehen. Satire, selbst wenn sie sehr geschmacklos
daherkommt, zählt dazu und ist hinzunehmen. Über ihre Grenzen
entscheiden Gerichte – niemals Kalaschnikows.

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