Es sind schon recht viele Volten, die die CDU
unter Angela Merkel geschlagen hat und immer wieder schlägt. Jetzt
scheint ein gerade zwei Monate alter Parteitagsbeschluss zur Ehe von
Homosexuellen im Altpapier zu landen.
Beobachter müssen nicht jedem Genörgel von den Konservativen in
der CDU besondere Bedeutung zumessen, aber: Bauchgefühl braucht jede
Partei. Ohne den berühmten sechsten Sinn, ohne das Gespür für die
Themen, die die eigenen Anhänger bewegen, verkümmert Regierungskunst
zu einer emotionsfreien Veranstaltung, die am Ende kaum noch auf
Resonanz in der Bevölkerung stößt. Bundeskanzlerin Merkel hat in den
vergangenen Jahren die Bundesrepublik Deutschland geschickt durch
Krisen geführt.
Die CDU-Parteivorsitzende Merkel hat damit hingegen manchen an der
Basis irritiert. Merkel hat die Union im Interesse der
Regierungsfähigkeit modernisiert, sie in Zeiten von Globalisierung
zukunftsfähiger als manch andere Partei gemacht. Einige
Entscheidungen waren einfach notwendig, Merkel folgte dabei nicht –
wie Kritiker behaupten – dem Zeitgeist. Aber ihre eigenen
Parteifreunde wurden immer wieder überrascht, wenn echte oder auch
nur vermeintliche christdemokratische Markenkerne über Bord geworfen
wurden.
Die SPD wurde von der Schröderschen Agenda 2010 tief ins Mark
getroffen, viele Genossen wissen seitdem nicht mehr zu definieren,
was sozial eigentlich heißt oder bedeutet. Ähnlich ergeht es heute
traditionsbewussten Christdemokraten. Der Abschied von der
Atomenergie, das Ende der Wehrpflicht, jetzt die Anerkennung der Ehe
zwischen Homosexuellen, demnächst die Einführung des Mindestlohnes,
der als „zwischen den Tarifpartnern als frei zu verhandelnde
Lohnuntergrenze“ rhetorisch aufgehübscht wird. Viel Tobak für die,
die noch vor Jahren genau wussten, wo sie politisch standen.
Noch einmal: Pragmatismus gehört zum Werkzeugschrank von
Regierungshandwerkern, Verlässlichkeit und ein gewisses Maß an
Orientierung sollte Merkel nicht missen lassen.
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