Anders als im Mai 2011 versprochen hat Philipp
Rösler auch am Sonntag nicht geliefert. Die Grundsatzrede des
FDP-Vorsitzenden zu Dreikönig war kein Befreiungsschlag, sondern eine
in Teilen beliebige Abhandlung über ein liberales Lebensgefühl, das
zu viele Menschen längst nicht mehr mit der FDP verbinden. Rösler
dürfte jene bestärkt haben, die dem Parteichef noch zwei Wochen
geben: bis er nach der Niedersachsenwahl gehen muss. Mit Rainer
Brüderle, der demonstrativ an der Seite von Hans-Dietrich Genscher in
das Stuttgarter Opernhaus einzog, steht der mögliche Interims-Chef
wohl auch schon fest. Ein neuerlicher Wechsel an der Spitze allein
wird der FDP aktuell allerdings so wenig helfen wie der letzte.
Das Problem liegt tiefer: Die Partei ist derzeit alles andere als
„ein sympathischer Haufen von Freidenkern“, wie sie Rainer Brüderle
charakterisiert hat. Derzeit streitet dieser wenig sympathische
Haufen von Parteidenkern darüber, wann man den offen angezählten
Parteivorsitzenden am besten über Bord wirft. Möglichst früh, um im
Bund noch eine Chance zu haben, oder möglichst spät, um sich eine
Chance in Niedersachsen zu erhalten.
Die FDP braucht keine Personal-, sondern eine Programmdebatte. Die
Partei muss klar machen, dass Liberalismus mehr bedeutet als
Markthörigkeit. Dass Freiheit mehr ist als die Möglichkeit, in einem
anderen Land weniger Steuern zu zahlen. Die FDP kann punkten, wenn
sie erklärt, wie persönliche Freiheit und gesellschaftliche
Verantwortung zusammengehen können. In der Bildung, in der
Arbeitswelt, im Internet. Hier gibt es genug Themen, die die FDP
besetzen könnte. Christian Lindner und Wolfgang Kubicki haben diese
Lücken in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein instinktiv
erkannt und die Marke FDP emotional aufgeladen, während ihr
Bundesparteichef gleichzeitig mit dem kalten Wort Wachstum vergeblich
um Gefolgschaft der eigenen Leute buhlte.
Die FDP muss wieder ein liberales Lebensgefühl vermitteln lernen.
Sonst macht sie sich überflüssig – unter wessen Führung auch immer.
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