Schwäbische Zeitung: Die Wirtschaftsflaute ist hausgemacht

Der Pessimismus der Wirtschaftsweisen ist
berechtigt. Eilig werden nun Gründe bemüht, warum es gerade nicht so
läuft. Die Sanktionen gegen Russland müssen herhalten, der Krieg in
Syrien, die Finanzkrise. Allen Erklärungen liegt die Hoffnung
zugrunde, es handele sich bloß um kurzfristige Störungen eines sonst
intakten Systems.

Aber das stimmt nicht. Vielmehr war der Aufschwung der vergangenen
Jahre eine Anomalie. Wir verdanken unser Wohlergehen einer
Mittelschicht in China, die wie verrückt deutsche Autos kaufte.
Nachbarn in Europa verschuldeten sich für deutsche Maschinen, während
die Deutschen selbst sparten. Zuletzt haben niedrige Zinsen die
Verbraucher in den Konsum getrieben. Eine historisch einmalige
Situation, die auf Dauer auch kein Wachstumsmodell begründet. Die
Deutschen haben sich an sich selbst berauscht, als würden
Hartz-Reformen und der Meisterbrief genügen, um den Wohlstand in alle
Ewigkeit zu sichern.

Der Aufschwung hat viele satt und selbstgefällig gemacht.
Gewerkschaften fordern E-Mail-Pausen und Gesetze gegen Burn-out.
Radiosender sehnen spätestens mittwochs das Wochenende herbei. Die
Generation der 30-Jährigen macht sich mehr Gedanken über das
Einwecken von Marmelade als über ihr berufliches Fortkommen. Zugleich
gibt die Große Koalition großzügig Geld aus für Geschenke wie
Mütterrente, während Autobahnen und Brücken verfallen. Doch es wäre
zu einfach, nur Politikern Kurzsichtigkeit vorzuwerfen. Auch Firmen
zehren von der Substanz: Sie investieren nicht in ihre Fabriken.
Händler verweigern sich dem Internet, Zulieferer verschlafen die
Globalisierung.

Wenn wir die wachsende Zahl an Rentnern würdig versorgen wollen,
ohne die Jugend um ihre Zukunft zu bringen, muss die Wirtschaft
wachsen. Das wird nur funktionieren, wenn Staat und Wirtschaft
Milliarden in Straßen, Anlagen, Hochschulen stecken. Und wenn die
Bürger bescheidener leben und akzeptieren, dass es keine Reichtümer
mehr zu verteilen gibt. Das Wirtschaftswunder ist vorbei.

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