Schwäbische Zeitung: Eckpfeiler der EU — Leitartikel

Nähern wir uns dem Konflikt über die legendäre
Handtasche von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher. Die eisenharte
Regierungschefin nutzte ihr schwarzes Lederstück in London wie in
Brüssel als Kennzeichen ihrer Macht. Ihr Anspruch, britische
Interessen kompromisslos durchzusetzen oder zu verteidigen, wurde mit
der Tasche demonstriert. Einmal auf dem Konferenz-Tisch platziert,
war der Sinn und Zweck klar: Seht her, ich bin der Boss, ich bin
mächtig. Das hat ein ganzes Jahrzehnt funktioniert, Thatcher rang der
EU diverse „Britenrabatte“ ab, eine Sonderrolle Londons war auf
europäischer Ebene akzeptiert. Im Sommer dieses Jahres sollte die
Handtasche für wohltätige Zwecke für mindestens 100 000 Pfund
versteigert werden, gerade einmal ein Viertel davon wurde erzielt.
Die Handtasche Thatchers: Einst Zeichen der Macht und jetzt Symbol
des Bedeutungsverlustes.

Selbstredend kann man nach dem jüngsten EU-Gipfel wohlfeil über
die britische Isolation in der EU feixen. Natürlich kann man Premier
David Cameron für seine misslungene und überdies innenpolitisch
heikle Verhandlungsführung schelten. Und selbstverständlich kann man
behaupten, Europa kann ohne die Briten, aber die können nicht ohne
uns. Für den Stammtisch reicht das, allein: Eine verantwortliche
Politik sieht anders aus. Das Vereinigte Königreich ist ein
Grundpfeiler der Europäischen Union. Europapolitiker sind jetzt klug
beraten, nicht emotional über die Stränge zu schlagen. Niemand sollte
den Briten den EU-Austritt ans Herz legen und so Wasser auf die
Mühlen der britischen Euroskeptiker gießen. Den Briten zu empfehlen,
51. Staat der USA zu werden, so wie es DGB-Chef Michael Sommer
formulierte, ist dümmliches Geschwätz. London war und ist der
Brückenbauer zu den USA, eine Rolle, die sonst niemand in der EU
wahrgenommen hat. Auch sind die Briten überzeugte Anwälte des
Freihandels, für unsere Exportwirtschaft also ein wichtiger
Verbündeter. Es lohnt, einen Blick in die alte, schwarze Handtasche
zu werfen.

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