Schwäbische Zeitung: Ein Gschmäckle bleibt – Kommentar

Nein, ein günstiger privater Kredit reicht nicht
aus, einen Bundespräsidenten zum Rücktritt aufzufordern. Christian
Wulff hat, so sah es zumindest am Dienstag aus, sich in seinem
früheren Amt als Ministerpräsident von Niedersachsen im Rahmen der
Legalität bewegt.

Aber natürlich hat es ein Gschmäckle, wenn sich ein
Ministerpräsident zwar nicht bei einem befreundeten Geschäftsmann,
aber sehr wohl bei dessen Ehefrau einen Kredit einräumen lässt – und
dieses Paar später den Ministerpräsidenten auf Reisen begleiten darf.

Die Nähe zur Wirtschaft verführt offenbar, sich abwechselnd im
Flugzeug upgraden zu lassen, Kredite günstiger zu bekommen oder das
Feriendomizil befreundeter Geschäftsleute zu nutzen. Für Politiker
gilt nichts anderes als für jeden normalen Bürger, nur kommt
letzterer selten in die Verlegenheit, solch Sonderkonditionen
widerstehen zu müssen. Umso gewissenhafter muss sich ein Politiker
fragen, welche Vorzugsbehandlung ganz persönlich seiner Person, und
welche seiner Funktion, seinem Amt gilt.

Wulff hat es hier an Gespür fehlen lassen – ungeschickt und
unsensibel wie so viele andere vor ihm auch. Wenn er jetzt nicht nur
den Sachverhalt, sondern auch eine gewisse fehlende Sensibilität
eingestehen würde, käme es Amt und Mann zugute.

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