Im Nachgang des gescheiterten Bombenanschlags am
Bonner Hauptbahnhof unterstützt Umfragen zufolge die große Mehrheit
der Deutschen die Forderungen nach einer deutlich intensiveren
Videoüberwachung des öffentlichen Raumes nach britischem Vorbild.
Millionen vorwiegend junger Menschen breiten in Deutschland jeden Tag
ihr Leben blindlings oder leichtsinnig im Internet aus. Es zeigt sich
dabei: Geht es um den Datenschutz, ist die Öffentlichkeit längst
nicht mehr so sensibel, wie sie es vor Jahren war. Vielleicht hat die
schwarz-gelbe Koalition deshalb geglaubt, sie könnte den
Bundesbürgern den aktuellen Entwurf für ein
Beschäftigtendatenschutzgesetz als Meilenstein verkaufen. Das ist er
aber nicht. Die Datenschutzskandale bei Discountern, Bahn oder
Telekom haben explizite gesetzliche Regelungen trauriger Weise zwar
notwendig gemacht. Dass unverdächtige Beschäftigte nicht heimlich vom
Arbeitgeber ausspioniert werden dürfen, sollte aber eine
Selbstverständlichkeit sein. Dass Arbeitnehmer nicht in der
Umkleidekabine oder auf dem Klo gefilmt werden dürfen ebenfalls. Dies
als wegweisende Stärkung der Arbeitnehmerrechte zu interpretieren,
ist einigermaßen vermessen. Zumal, wenn der vorliegende Gesetzentwurf
der Koalition dem Arbeitgeber die offene Videoüberwachung seiner
Beschäftigten am Arbeitsplatz und darüber hinaus fast uneingeschränkt
erlaubt. Die Überwachung soll zwar ausdrücklich nicht einer
„Leistungs-und Verhaltenskontrolle“ dienen. Aber wer will glauben,
dass keine entsprechenden Rückschlüsse aus Aufnahmen gezogen würden,
die offiziell zum „Schutz des Eigentums“ oder zur „Sicherung von
Anlagen“ oder zur „Abwehr von Gefahren“ gemacht wurden. Sollte dieser
misslungene Entwurf tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden,
macht aber immer noch dies Hoffnung: Weitsichtige und
verantwortungsbewusste Unternehmer – gerade jene aus dem Mittelstand
– wissen längst, dass es besser ist, in die Mitarbeiter zu
investieren anstatt in Technik zu deren Überwachung.
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