Schwäbische Zeitung: Einer hat sie lieb – Leitartikel zu Kretschmann und Merkel

Doch, doch. Es gibt zumindest einen, der Angela
Merkel noch richtig lieb hat – das ist Winfried Kretschmann. Dass der
grüne Ministerpräsident mit seiner Unterstützung für die Kanzlerin in
den eigenen Reihen keine Begeisterungsstürme auslöst, ist klar. Hätte
umgekehrt Merkel geschwärmt, dass Kretschmann der einzig richtige
Ministerpräsident für Baden-Württemberg ist, hätte dies in der CDU
gewiss auch Verstimmung ausgelöst.

Angela Merkel dagegen dürfte die Ermunterung genießen. Schließlich
ist sie Lobeshymnen aus dem eigenen Laden nicht mehr gewöhnt. Ob nun
aber die Wertschätzung des grünen Stuttgarter Ministerpräsidenten ihr
über den mangelnden Respekt seines Kollegen Seehofer in München
hinweghilft, ist zu bezweifeln. Die Kanzlerin wurde schlicht und
einfach nicht zum CSU-Parteitag eingeladen. Diesmal aber lag es
weniger an Horst Seehofer, dem alten Dauerstachel im Fleisch der CDU.
Diesmal war es die Angst vor der Basis, die Merkel vielleicht
auspfeifen könnte. Denn beim gewöhlichen CSU-Anhänger ist die Sicht
weit verbreitet, dass die Kanzlerin mit ihrem „Gutmenschentum“ die
AfD stark gemacht hat. Ein großer Teil der CDU-Wähler denkt nicht
viel anders.

Die Konsequenzen sind jedoch längst gezogen, die Begrenzung der
Flüchtlingszahlen ist vorgenommen. Doch die AfD ist durch das Thema
hochgespült worden. Das will die CSU nicht hinnehmen. Wenn es darum
geht, die eigene Bastion zu verteidigen, war ihr die große Schwester
CDU schon immer schnurzegal.

Die CSU setzt sich deutlich von der Berliner Politik ab, um sich
zu behaupten. Doch je näher die Frage einer erneuten
Kanzlerkandidatur Merkels rückt, desto mehr ist auch die CSU in der
Bredouille, eine gewisse Wende hinzubekommen. Es sei denn, sie
spräche sich gegen Merkel aus. Das wird sie aber nicht tun, weil auch
die CSU niemand Besseren hat. Schließlich will Horst Seehofer in
München bleiben und, wie er es selbst einmal nannte, im „Mäusekino“
des bayerischen Landtags weiterhin seine Vorstellungen geben.
Vielleicht länger, als viele denken.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Original-Content von: Schw?bische Zeitung, übermittelt durch news aktuell