Die SPD-Basis zeigt, anders als manche
Funktionäre, Gestaltungswillen und damit Regierungsfähigkeit. Der
berühmte Stein dürfte all denen vom Herzen fallen, die die
Notwendigkeit einer stabilen Regierung in zunehmend unsicheren Zeiten
erkannt haben. Kanzlerin Angela Merkel wird aufatmen, wie auch Andrea
Nahles, die bei einem Nein zur Großen Koalition wohl kaum
SPD-Vorsitzende geworden wäre. Eine stabile deutsche Regierung ist
ein Muss, man schaue nach Washington, Moskau oder Ankara, wo
Bündnistreue, Partnerschaft und stabile Beziehungen wenig Ansehen
genießen. Die EU muss deshalb schnell reformiert und wieder
einflussreicher werden. Das geht nur im Einklang zwischen Paris und
Berlin. Ab nun kann daran gearbeitet werden.
Und die SPD? Sie steht vor immensen Herausforderungen. 66 Prozent
für, 34 Prozent gegen eine Regierung mit der Union – das klingt
eindeutiger, als es in Wahrheit ist. Die Sozialdemokratie wird sich
schnell zusammenraufen müssen. Dass Juso-Chef Kevin Kühnert seine
Stellungnahme zum Mitgliederentscheid draußen vor der Tür und nicht
in der SPD-Parteizentrale abgab, ist ein kleiner Wink mit dem
Zaunpfahl. Bei den Mitgliedern zählt die einst stolze Arbeiterpartei
gerade noch zehn Prozent Arbeiter. Die Mehrheit der Genossen ist über
60 Jahre alt. Für jüngere Menschen verheißt das nichts Gutes, die
aktuelle Rentenpolitik ist der beste Beleg dafür.
Das Zauberwort heißt Erneuerung. Wie die genau aussehen soll,
bleibt – obwohl seit Langem beschworen – ausgesprochen vage. Neue
Gesichter alleine reichen nicht aus. Auf allen Ebenen müssten nun
„alte Zöpfe abgeschnitten werden“, atmete ein Sozialdemokrat in
Berlin sichtlich erleichtert auf. Was das heißen soll, konnte er
nicht sagen. Nicht nur die Mitglieder auch potentielle Wähler
erwarten mehr als PR-gefällige Sprechblasen. Was für die SPD jetzt
gilt, gilt gleichermaßen für die CDU/CSU. Die Frage lautet: Wie
reagieren Volksparteien auf gesellschaftliche Umwälzungen, die durch
Digitalisierung und Globalisierung ausgelöst werden?
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