Schwäbische Zeitung: Es gibt kein gutes Töten – Kommentar zur Sterbehilfe

Eine Mehrheit der Deutschen, so suggerieren es
immer wieder Meinungsforscher, befürwortet den assistierten Suizid.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Abgeordneten des Bundestags am
Freitag von solcher vorgeblicher Mehrheitsmeinung nicht werden leiten
lassen. Dem Befund ist nämlich zu misstrauen, weil das Ergebnis der
Umfragen jeweils stark von der konkreten Fragestellung beeinflusst
ist. Und noch etwas sei vorausgeschickt: Neben dem grundsätzlichen
Recht auf Selbstbestimmung argumentieren die Befürworter der Tötung
auf Verlangen oft mit extremen, herzerweichenden Einzelfällen. Dem
wäre zu entgegnen, dass Ausnahmen gerade nicht dazu taugen, daraus
allgemeingültige Gesetze abzuleiten.

Ansonsten ist dieses so hoch kompliziert erscheinende Problem, wie
nämlich die Gesellschaft mit Menschen am Ende ihres Lebens umgehen
soll, gar nicht so schwer zu lösen. Sie soll ihnen nach Möglichkeit
ein menschenwürdiges Sterben ermöglichen, einen guten Tod. Die
Voraussetzungen dafür – etwa der Ausbau der Palliativmedizin und der
Hospizbewegung – sind bekannt. Ein gutes Töten, so hat es der
Philosoph Robert Spaemann formuliert, gibt es dagegen nicht. Die
Argumente der Befürworter assistierter Selbsttötung oder der Tötung
auf Verlangen sind schwächer als die Argumente derer, die das
verhindern wollen. Wer sich beispielsweise näher mit diesem Recht auf
Selbstbestimmung befasst, wird bald merken, dass es fragwürdig ist.
In den Niederlanden etwa stirbt ein Drittel der legal Getöteten nicht
auf eigenes Verlangen, sondern nach dem Urteil von Angehörigen und
Ärzten. Es kann einen schaudern angesichts der Risiken, die eine
gesetzliche Freigabe mit sich bringt.

Ist es ein Zufall, dass die Diskussion hierzulande hochkocht in
einer schnell alternden Gesellschaft? In einem Gesundheitssystem, das
von den hohen Kosten der letzten Lebensphase Todkranker extrem
belastet ist? Wohl kaum. Die Vorstellung, dass von den Alten und
Kranken irgendwann erwartet wird, sie sollten aufhören, anderen zur
Last zu fallen, ist gruselig. Abwegig ist sie nicht.

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